Wenn Terror keinen Schrecken verbreitet

Man muss sich das einen Moment vorstellen: Der Vater, der Mann, der Bruder, der Freund wird ermordet. Und dann gibt es niemanden, der das getan hat. Es gibt keinen Grund, keine Erklärung. Es ist eine Gottverlassenheit, die über den Verlust selbst noch hinaus geht.
Nun, da die Morde geklärt sind, fehlt immer noch der Täter. Der ist tot. Es gibt vermutlich so etwas wie eine Motivlage, aber Grund und Erklärung – die gibt es nicht. Neun Menschen sind ermordet worden, sind aus dem Leben ihrer Familien gerissen worden, einfach so. Aus Hass.
Und wir haben nichts gemerkt. Wir wussten von dem Hass, aber wir haben ihn nicht recht ernst genommen. Wir haben uns für die Nazis geschämt, wir haben uns von ihnen distanziert, aber wir haben nicht begriffen, dass sie unsere Feinde sind.
Was uns vor einigem bewahrt hat.
Man muss sich das einen Moment vorstellen: Der Staat nimmt eine Terrorserie wahr, die aus dem Nichts kommt, er sieht eine Bedrohung, die er nicht kommen sieht. Er weiß nur, dass die Täter deutsche Terroristen sind. Wie wäre das Innenministerium damit umgegangen? Die vergangenen zehn Jahre war jeder verdächtig, der Muslim war, besonders verdächtig waren unauffällige Muslime. Wären nun besonders unauffällige Deutsche verdächtig gewesen?
Dieser Terror blieb ohne Schrecken, weil wir ihn nicht wahrgenommen haben. Das totale Versagen unserer Sicherheitsbehörden, die an Mittäterschaft grenzende Unbedarftheit der Ermittler – unser Segen.
So wurde das Leiden privatisiert, das Leben ging weiter.
Terror braucht Presse. Jetzt, da sie da ist, werden wir was erleben.

21 comments

  1. Als Freund von Gruselkabinetten habe ich mich in einschlägigen Blogs umgesehen um zu schauen, was sie schreiben (eigentlich reichen da aber auch schon die Kommentarspalten jeder beliebigen Onlinezeitung). Da ist dann die DVD mit CGI erstellt worden, oder ein Tätowierer wurde beauftragt, im Nachhinein eine Schlange auf den Hals eines der verbrannten zu stechen.

    Menschen glauben all diesen Irrsinn, bevor sie sich eingestehen müssen, auf der falschen Seite zu stehen.

  2. Selbst auf PI (ist “selbst auf” die richtige Formulierung? Ich benutze sie, weil sie sich selbst immer von Nazis distanzieren) gibt es diese Verschwörungsszenarien. Es war “die türkische Mafia”. Basta.

  3. Ich habe jetzt schon an mehreren Stellen gelesen, dass es sich hier ja nicht um klassischen Terrorismus gehandelt habe, weil ja kein Schrecken dabei war, keine Bekennerschreiben etc. Ähnlich auch hier: “Dieser Terror blieb ohne Schrecken, weil wir ihn nicht wahrgenommen haben.” Wir ist hier das entscheidende Wort — unter türkischen Kleingewerbetreibenden war das durchaus über Jahre ein Thema, das Schrecken und Angst ausgelöst hat.

  4. Das ist jetzt die erste Reaktion außerhalb großer Medien, die ich mitbekomme. Ich bin ehrlich gesagt relativ entsetzt, dass es z.B. bei meinen mehrheitlich Deutsch sprechenden, aber doch durchaus migrierten 700 fb-fränds offenbar gar kein Thema ist.
    Und ich hoffe, dass es das wenigstens noch wird.
    Dass z.B. der Staatstrojaner nach wenigen Tagen wieder von der Agenda verschwand, macht da zwar nicht so richtig Hoffnung, aber vielleicht gibt es ja immerhin bei dem Thema so ein paar sinnvolle Mechanismen, die zu einer wirklichen Auseinandersetzung führen.

  5. Gestern sah ich noch ein Interview mit Amos Oz bei Charlie Rose, er sagte einen Satz, dessen Wucht mir jetzt eigentlich erst klar wird. Fanatiker seien die Bedrohung des 21. Jahrhunderts. Ich glaube, die Presse für den rechten Terrorismus gab es dieses Jahr, Breivik, nun das. Ich spüre eine Furcht, eine kleine Angst, die ich nicht einordnen kann, aber Sarrazins Buch, die Nachrichten der letzten Tage und dieser letzte Satz in diesem Artikel sind die Bilder dazu.

  6. Seltsam. Was nicht paßt, wird passend gemacht. Und herunterdiskutiert. Solange es diesem Staat nicht in den Kram paßt. Links wird immer noch als die größere Bedrohung inszeniert.

  7. “So wurde das Leiden privatisiert, das Leben ging weiter.”
    Klingt so vorwurfsvoll. Dabei ist das Öffentlichmachen von persönlichem Leid in an Voyeurismus grenzendem Ausmaß à la Bild-Zeitung doch viel schlimmer.

  8. Links wird immer noch als die größere Bedrohung inszeniert.

    Links IST ja auch die größere Bedrohung … für alle, die rechts von der Mitte sind. Denn es geht bei offiziellen Terror-Debatten ja nicht vorrangig darum, wer das Volk am meisten gefährdet, sondern darum, wer die herrschenden Machtverhältnisse am stärksten bedroht.

  9. Dass Links als die größere Bedrohung inszeniert wurde, kann ich beim besten Willen nicht erkennen. (Ich sehe allenfalls bei manchen Innenpolitikern den Versuch, gegen die offensichtlichen Fakten linke Extremisten als gleichgroße Bedrohung aufzubauen.)

    Der “übersehene” Naziterror – ein wirklich eigenartiges Phänomen – ist natürlich das Gegenstück zu dieser Islamisten-Terror-Hysterie, die den Westen seit zehn Jahren lahmlegt. Das war einfach das schönere Feindbild, das kam von außen.

  10. Dass sich andererseits in “einschlägigen Blogs” darüber lustig gemacht wird, dass man Geld für den Kampf gegen Linksextremismus ausgibt, ist kein gutes Zeichen angesichts der allgegenwärtigen linken Schmierereien, die zum Klassenkampf aufrufen; zumindest hier in Niedersachsen. Das hatten wir erst 1977.

  11. 17 comments? Dein comment-zähler ist kaputt.

  12. @C, ich vermute zusätzlich zu den Comments werden noch die Trackbacks addiert, die hier leider nicht gelistet werden.
    (wurde durch Klaus Kusanowskys ‘differentia’ & Stefan Schulz ‘Sozialtheoreisten’ hierauf aufmerksam gemacht)

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