Dabei

Sie hat so eine sterile Güte. Also nicht mütterlich. Eher wie eine Kinderkrankenschwester, die selber keine Kinder bekommen kann. Es macht mich natürlich wahnsinnig, wie die Erotik der Möglichkeit des Gepampertwerdens auf ihr völlig ausdruckloses Quellekatalog-Model-Gesicht trifft.
“What is essential is invisible to Google”, sagt sie und ich möchte aufstehen, mich dann möglichst elegant hinknien und um ihre Hand anhalten.
Oder wenigstens mal: ihre Hand halten.
Schön kann ich manchmal aushalten, klug geht auch, aber schön und klug ist zuviel.
Ich sitze seit einer halben Stunde dabei und bin nicht sicher, ob sie mich schon wahrgenommen hat. Ihre sterile Güte glimmt nur auf für Kai. Eben hat sie ihm tatächlich eines seiner – früher hätte man gesagt: geckenhaften – Seidenhaare aus dem Gesicht gewischt. Immerhin nicht gepustet. Dann hätte ich mich in die Luft gesprengt.
Kai spielt auch nicht in ihrer Liga, aber er hat es ganz gut drauf, über den Kampf ins Spiel zu kommen.
Er lacht sich hinein in so ein Gespräch, er kann wirklich außerordentlich aufmerksam lachen und er kann gut unumstößliche Dinge sagen wie: “Die vom Spiegel achten ganz genau darauf, was wir machen.”
Ich kann weder aufmerksam lachen noch unumstößliche Dinge sagen, ich kann nicht einmal besonders gut hier sitzen, weil mir sehr ernsthaft der Hintern juckt.

Mein Blick fällt in den Spiegel hinter ihr. Es ist kein Wunder, dass ich auf allen Social Networks dasselbe alte Bild von mir habe. Ein Bild, das so alt ist, dass es mit einem Bud-Spencer-Avatar mehr Ähnlichkeit hat als mit mir.
Ich habe noch keine rechte Einstellung dazu gewonnen, dass mein Haar ausfällt, mir sind die Winkel ausgegangen, in denen ich weniger als zwei Kinne habe und seitdem ich 29 bin, habe ich jede Woche wenigstens einen leuchtenden Pickel an prominenter Stelle im Gesicht. Das bin bloß ich.

Gestern habe ich geträumt, ich wäre im 6. Monat schwanger und mein einziger Gedanke war: “In drei Monaten kann ich dann wieder die gute Anzughose tragen.”
Als ich aufgewacht bin, habe ich die Hose weggeworfen, Sport ist keine realistische Alternative.

Sie tippt Kais Nummer in ihr stilvoll heruntergerocktes Handy und Kai schaut kurz zu mir rüber und ich bilde mir ein, beifällig zurück zu schauen, aber er blinzelt nur irritiert, ich muss anders geschaut haben als ich wollte.
Sie verabschiedet sich (von Kai).
Ich nippe an meinem Bier und stelle Nachdenklichkeit dar.

“Ziemlich dicker Arsch”, sage ich.

11 comments

  1. Der Arsch ist in dem Moment sowas von Egal.

  2. Hoffentlich ist das beeindruckende Exzerpt nicht (auto)biographisch: Da bekommt man ja richtig Mitleid.

  3. Gestern habe ich geträumt, ich wäre im 6. Monat schwanger und mein einziger Gedanke war: “In drei Monaten kann ich dann wieder die gute Anzughose tragen.”

    ^^ wart mal ab bis Du in den 9. Monat kommst.

    Elegant hinknien kann ich auch nicht mehr, sonst täte ich es jetzt.

  4. bemitleidenswert der mit den pickeln. die anderen zwei sind nicht mal menschen, deshalb auch nicht bemitleidenswert.

  5. @lantzschi
    nicht mal menschen?

  6. hihi :)

  7. @Malte die wirken eher wie maschinen. oder menschen aus der zukunft. jedenfalls nicht echt. aber das verstärkt den effekt des textes sehr gut.

  8. Die Pickel … aber … äh … machen so menschlich. Die Form von Nachdenklichkeit aber auch. ,-)

  9. coole Analogie mit fantasievoller “Innere-Bilder- als Reaktion- auf- Impressionen-von-Personen-die-einem-unbewusst-vetraut-bewusst-fremd/unheimlich-und-zugleich-faszinierend-wirken-Interpretation”

    thx:)

  10. Sehr, sehr merkwürdige Atmosphäre. Was einzig nicht so recht ins Bild passen möchte, ist der dritte Satz. Ich finde, der verändert ihre Liga. Kinderkrankenschwestern sind sehr liebevolle, warmherzige und emotionale Menschen (grobe Behauptung), ob nun kinderlos oder nicht.

    Liebe Grüße sssunny :-)

  11. sehr grobe behauptung. sehr, sehr grob:)

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