Kürzlich erzählte die Lieblingslektorin, dass 35% aller Menschen als unsicher-gebunden gelten. Für ein Gefühl von sicherer Bindung ist von entscheidender Bedeutung, dass der Mensch im Säuglingsalter mit seinen Mitteln erreichen konnte, was er benötigte.
Stellt das Kind fest, dass es das nicht kann, entwickelt es eine Bindungsstörung. Der so genannte unsicher-vermeidende Typ beispielsweise ignoriert im Experiment, wenn er von der Bezugsperson (für einige Zeit) verlassen wird und tut auch so, als bemerke er es nicht, wenn sie wieder kommt. Das unglückliche Kind hat dabei einen ungeheuren Stress, hat aber aufgegeben, etwas dagegen zu tun.
“Man muss also immer tun, was das Baby will?”, fragte ich. “Auch während Fußballspielen?” Die Lieblinslektorin nickte.
“Und was will das Baby?”
“Liebevolle Zuwendung. Das Baby merkt schon, wenn es genervt gewickelt wird.”
“Ach, komm. Babys haben als Hobby Milchtrinken und wenn sie etwas größer sind, dann interessieren sie sich dafür, große Brötchen in ihren leicht klebrigen Fingerchen zu halten, aber denen ist doch egal wie du guckst.”
Na, da lag ich aber falsch. Dieses Video zeigt das Still Face-Experiment. Die Mutter guckt eine kurze Zeit lang neutral und reagiert nicht auf das Kind. (Ab 1:36, wenn die Mutter in dem Experiment es merklich nicht mehr aushält, bricht einem übrigens, sollte man über eins verfügen, das Herz.)
Liebe ist etwas erstaunliches. Es sollte mehr davon geben.
Hier noch eine ausführlichere Version über die Auswirkungen.
Man sollte es aber auch nicht übertreiben mit dem babywahn. Ob das Kind nun die eine oder eine andere macke davonträgt ist doch nun relativ latte.
Fakt ist dass es irgendwelche psychoschäden davontragen wird, so wie alle menschen welche haben, also was solls. Das gehört halt dazu, zum mensch sein.
@FK: Naja. Das sind halt ein paar Monate, wo man seine Bedürfnisse dem des Säuglings unterordnet. Am Anfang kann das schon etwas überwältigend sein, aber letztendlich geht diese Zeit shcnell vorbei.
Äh ja, Bindungstypen.
Ähm.
Es gibt seit 40 Jahren enorme und berechtigte Kritik an dem, was da mit Babies gemacht wird, weil die ökologische Validität einfach außerordentlich gering ist. Das betrifft IQ Messungen bei Kindern, aber auch alle möglichen bindungstheoretischen Paradigma.
35% unsicher gebunden? Wie will man dass denn bei einem Erwachsenen messen? An wen gebunden? Erikson, Piaget, so ganz grundsätzlich, mit Urvertrauen? Entwicklungsschritte, dieser ganze Käse?
Es gibt hier keine sinnvollen Instrumente – zumindest keine in der Psychologie, die mir bekannt sind. Ich halte die ganze Bindungstheorie in weiten Teilen für unsinnig, und bin in den letzten Jahren trotz mehreren Seminaren, Vorlesungen und einem Jahr Arbeit in einer Psychiatrie, die systematisch Arbeitet, nicht über Wissenschaft gestolpert (gute Studien), die mich von etwas anderem überzeugen konnten.
ta-ta
Eiko, rant over and out :)
Das tragt ihr bitte miteinander aus, aber hier, dann haben wir alle was davon und können popcorn essen.
@Eiko
Als Rabenmutter, die ihr Kind grade in einer Bindungsstörungen erzeugenden Krippe eingewöhnt, höre ich das gerne :)=)
@Eiko
also ich hätte gern möglichst wenig Schäden und Macken, auch wenn ich weiß, dass es ganz ohne natürlich nicht geht. Ich denke für meine Kinder würde das auch gelten, hätte ich welche
@eiko neee, ich meinte FK
@FK
ähh… wie jetzt. Dann braucht man wohl erst gar nicht darauf achten wie man mit dem “Teil” umgeht. Auf eine Macke mehr oder weniger kommt es dann wohl nicht an, wenn nicht nachzuweisen ist wer oder was dafür verantwortlich war/ist.
Also mit Babys lieber bis nach der WM warten. Wenigstens das konnte ich hier mitnehmen (würde aber auch so knapp werden.)
@msy:
So wars nun auch wieder nicht gemeint, eher so:
Ich gehe fest davon aus dass die menschen (im schnitt, ausnahmen bestätigen die regel, etc pp) eh summa sumarum gleich viele macken haben, es sind nur bei jedem einzelnen andere, egal was die eltern machen. Mal ein blödes Beispiel zur verdeutlicheung: Das eine baby hat ne mutter mit gesichtslähmung die ihn immer wie ein auto anguckt und bekommt dieses bindungsdings, das andere baby hat eltern welche sich alle babypsychologiebücher reinzeihen, das kind wird narzisstisch oder was weiss ich. Ein drittes baby wird im kohlekeller aufgezogen, bekommt nur hundefutter, besuch vom priester jeden samstag und entwickelt höhenangst.
Also haben wir dann 3 kinder mit jeweils ner macke, nur halt jeweils ne andere. Gibts kausale zusammenhänge? manchmal ja, manchmal auch nicht.
Rechne das mal auf eine milliarde ereignisse die so im leben eines kindes passieren (egal welche) hoch, von denn haben die allermeisten keine bösen auswirkungen, manche aber schon und zack kommt man zu dem ergebnis dass der erwachsene mensch irgendwann eine gewisse anzahl an problemen hat, größtenteils egal was die eltern angestellt haben oder auch nicht. Im Durchschnitt…
@FK
ich habe jetzt aber schön gelacht. danke!
Gedankensprünge / Aspekte:
Nicht nur mehr im Sinne von “öfter”, sondern auch im Sinne von “anhaltender”. /
Später treffen dann die unterschiedlichen Liebesstile aufeinander und dann beginnt das Gerangel um “Heilung” /
Jemand, der mit bedingungsloser Liebe und großem Urvertrauen aufgewachsen ist, ist nicht davor gefeit, später in Messer zu laufen, sondern kann, ganz im Gegenteil, besonders böse reinrasseln /
Es gab mal ein Experiment mit zwei Affenkindern. Beide wurden isoliert in jeweils einem Zimmer gehalten. Das eine erhielt Nahrung. Das andere eine Mutter-Attrappe: ein mit Kuschelstoff bespanntes Gerüst. Jenes, das nur Nahrung erhielt, starb. /
@Tinchen: Das stimmt ja nun mal komplett nicht.
Im Gegenteil, die Affen mit der Mutterattrappe schienen sich völlig normal zu entwickeln.
Erst, als sie selber Kinder bekamen, zeigten sich Unterschiede: Sie konnten mit ihren Kindern überhaupt nicht umgehen, das ging so weit, dass sie sogar ihre eigenen Kinder töteten, weil sie keine Bindung zu ihnen hatten.
Quelle: http://books.google.com/books?id=PWzDVOFBV_UC&pg=PA128&lpg=PA128&dq=affe+mutterattrappe&source=bl&ots=_5schJAzyc&sig=08llZ9yflAncap2gso3Ca2XCEMw&hl=en&ei=A7qgS5OHM4WX_QbPqunoDQ&sa=X&oi=book_result&ct=result&resnum=2&ved=0CBAQ6AEwAQ#v=onepage&q=&f=false
So ein fieses Experiment. Armer kleiner Schatz. Böser Doktor.
@ V’kar:
Interessant. Aber was bringt Sie auf die Idee, dass es sich um ein und dieselbe Versuchsanordnung handelt? Außerdem sehe ich da kein komplettes “im Gegenteil”. Sondern eher ein ergänzendes.
@ Tinchen: Naja, es klingt schon relativ ähnlich. Affenbaby, Ersatzmutter, soziale Isolation. Meine Studie sagt: Affe entwickelt sich halbwegs normal, Ihre (bei dem Nick “Tinchen” würde ich ja normalerweise duzen) Studie sagt: Affe stirbt. Wenn das kein Gegenteil ist.
Das die Schlussfolgerung “Soziale Isolierung ist nicht gut” gleich ist spricht dann aber eher für Ihre ergänzende Wahrnehmung.
@ V’kar: Möglicherweise. Ich kann’s nicht mehr rückverfolgen, ist zu lange her. Biologiebuch – ?10. Klasse? 11., 12., 13.? Aber ich erinnere mich genau an das Ergebnis, es hatte mich verstört.
Kein “komplettes Gegenteil”, sondern ein “ergänzendes” Gegenteil also … soso.
@ Primaten:
Viele der zitierten Primatenexperimenten wurden mit einem Affen, oder mit einer sehr kleinen Gruppen gemacht. Das wurde in den 70ern und 80ern viel publiziert, ist aber natürlich völlig unaussagekräftig. Das waren häufig auch noch traumatisierte Affen, in Käfigen und Laboren aufgewachsen. Mit ökologisch validem Verhalten hat das nur sehr wenig zu tun.
Es gibt wenige Studien mit vernünftigen Stichproben, Mike Tomasello hat einiges gemacht in den letzten Jahren zu Empathie und Ausdruck, was ich lesenswert finde.
@ Kinder, Bindung und Macken:
Kinder sind ziemlich robust – sowohl körperlich (das merkt man, wenn sie das erste mal runterfallen und man denkt Gott weiß was müsste passiert sein, und sie aufstehen und weiterspielen), und noch wichtiger: psychisch. Keine Eltern sind perfekt, es sind alles nur Menschen. Solange man seine Kinder wirklich liebt, sollte man sich nicht zu viel Sorgen um die Erziehung machen. Das youtube Experiment stimmt schon, Reafferenz brauchen Kinder ganz dringend, um die basalsten Prozesse zu lernen. Sowohl psychische, als auch rein physiologische.
Ich habe genug Erfahrung in einer Jugendpsychiatrie gesammelt, um zu wissen, dass schon wirklich schlimme Dinge passieren müssen, damit ein Kind oder ein Jugendlicher wirklich schwere Macken entwickelt. Leider passieren solche schlimmen Dinge in unserer Gesellschaft sehr häufig, aber “normale” Eltern müssen keine Ratgeber lesen, um das mit dem Kindererziehen halbwegs sinnvoll hinzukommen.
@ Bindungstheorie:
Die Welt ist nicht so einfach. Menschen sind nicht so einfach. Es gibt keine 5, oder 8, oder 24 Entwicklungsschritte, oder Entwicklungsphasen, oder Entwicklungsaufgaben. Dinge vermischen sich, Menschen sind komplex. Wer sich anmaßt, zu versuchen Menschen in derart simplizistische Gerüste zu zwängen, der sollte besser mit etwas mehr Empirie herausrücken.
ta-ta
E.