Wer schon einmal seine Steuererklärung ohne einen Steuerberater gemacht hat, der weiß, dass es kaum einen entspannteren Weg in die Nervenheilanstalt gibt. Man nimmt ein, zwei Sabbatjahre, zieht in ein Dorf in der Toskana, kauft 7,8 Steuerratgeber, spitzt ein Rudel Bleistifte und drückt sich diese dann der Reihe nach in die Weichteile.
Hat man nach dem Sanatoriumsaufenthalt eine Kontensperre und sucht einen Fachmann auf, der mehr kostet, als er einem spart, aber notwendig ist, weil man ja auch mal wieder arbeiten will, benutzt dieser Worte, die Goethe nicht gekannt hat und Kafka aus seinen Manuskripten als überzogen rausstrich.
Wie gut, dass es Politiker gibt, die schwierige Sachverhalte in einfachen, klaren Worten erläutern können:
Wer mir erklären kann, um was es in Merkels Rede geht, bekommt ein Wochenende mit meiner Katze (gilt nur an ungeraden Kalenderwochen unter Berücksichtigung der Rücktrittsförderungspauschale, wenn a) die Krankenkassenbelastungsüberziehungsgebühr nicht höher ist als der Minimalkadenzboden und b) die Jahresleistung dem Quadrat des Familiensteueraufkommens entspricht).
Ich habe gerade in der Süddeutschen den Bericht über den Prozess um den Mord an der achtjährigen Michelle aus Leipzig gelesen. Die Schilderung des Tatablaufs ist ungeheuer detailliert, was natürlich auch Fragen aufwirft, die ich aber hier gerne beiseite lassen würde.
Wer hier schon länger mitliest, dem dürfte aufgefallen sein, dass ich harten Strafen kritisch gegenüberstehe und dass ich mit meinen Ansichten eher keine Bundestagswahlen gewinnen würde. Aber bei so einem Fall bin ich tatsächlich froh, dass es mittlerweile auch für jugendliche Straftäter die Möglichkeit der nachträglichen Sicherheitsverwahrung gibt.
Ich weiß, in was für einer unangenehmen Gesellschaft ich mich mit dieser Ansicht befinde, aber eine solche Tat setzt eine so tiefgreifende Störung voraus, dass ich mir eine Heilung innerhalb von 10 Jahren kaum vorstellen kann.
Die herausgebrochenen Schneidezähne dieses Kindes – gottverdammt.
1960 lief Armin Hary die 100 Meter in 10 Sekunden. 49 Jahre später rennt Usain Bolt eine halbe Sekunde schneller.
Einundzw, vielleicht sogar nur Einund. In einer halben Sekunde bewege ich meine Hand zum Ohr, wenn es juckt, von Kratzen kann da noch gar nicht die Rede sein. In einer halben Sekunde kann man tatsächlich nichts erledigen, nicht einmal über die Brüstung eines Hochhauses schafft man es in der Zeit. Eine halbe Sekunde ist gar nichts.
In den 49 Jahren hat die Schuhindustrie den turbononphlegmatischen Düsenschuh entwickelt, Tartankonzerne haben mit Flutschiden versetztes Flüssiggas geschaffen, auf dem man läuft wie ein Weißer Hai schwimmt und die alteingesessenen mittelständischen Dopingfirmen haben nicht nur Pumpozol, sondern auch Spinatzin, Kleinhodin und Herztoderozon auf den Markt geworfen.
Eine halbe Sekunde. Einundzw. Ich bin nicht beeindruckt.
Junge Union, da denkt man an rauschende Ü-30-Bierfeste mit 99 Luftballons, etwas zu enge und doch sehr breite Cordhosen und Ochsenschwanzsuppe im Kaufhof-Restaurant. Aber das ist ja nur ein Klischee, die wahre Junge Union ist wild und gefährlich. Und vor allen Dingen ist sie mehr sie selbst als Bayern München.
Man muss nicht paranoid sei, um damit zu rechnen, dass die Netzsperren in naher Zukunft auf Seiten mit rechtsextremen Inhalten ausgeweitet werden und man muss kein Rechter sein, um das abzulehnen.
Im Tagesspiegel heißt es: “Ein Mittel könnten Netzsperren sein. Sie wären wichtig, „auch um das Unrechtsbewusstsein zu schärfen“, sagte Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Über eine entsprechende Software könnte der Staat verhindern, dass die Internetnutzer auf bestimmte Seiten zugreifen. Diese werden blockiert, wenn der Nutzer sie aufrufen möchte.”
Es wird entgegen allgemeinen Polizeiglaubens gar nicht alles besser, nur weil man es dem Licht der Öffentlichkeit entzieht. Die Verbannung Drogensüchtiger aus dem Stadtbild führt nicht zur Gesundung des Süchtigen, die Vertreibung von Bettlern hebt nicht das Bruttosozialprodukt. Und dennoch wird dieser Schamanismus gerade von Regimen wie China gerne betrieben.
Derselben Polizei, die am liebsten jeden Rechner überprüfen würde, der auch nur ins Netz geht, wird in der aktuellen Zeit nachgesagt, auffällig verhalten auf die Aktivitäten der Mafia in Deutschland zu reagieren. Mitgliedschaft in der Mafia ist in Deutschland kein Straftatbestand und da Geldwäsche ein Geschäft ist, das auf Lautlosigkeit basiert, baut sich wenig öffentlicher Druck auf die Polizei auf, die die komplizierten Ermittlungen nur aufnimmt, wenn sie von ihren italienischen Kollegen bedrängt wird.
“Die Mafiosi bewegen sich wie unter einer Glasglocke. Ohne Verbrechen existiert die Mafia nicht. Und wenn die Mafia nicht existiert, dann gibt es auch keine Geldwäsche. Und keine Ermittlungen. Und wo keine Ermittlungen sind, gibt es auch kein Verbrechen, so beißt sich der Hund in den Schwanz.”
Nun hat die Mafia dem Artikel zufolge in der Nachwendezeit massenhaft Immobilien in Ostdeutschland gekauft und ganze Viertel in Berlin. Mit anderen Worten: Die Mafia war zuerst da, der Rechtsextremismus ist unter anderem eine Folgeerscheinung einer korrumpierten Gesellschaft. Wenn man sich bisher gefragt hat, warum die Milliarden, die in den Osten geflossen sind, so erstaunlich wenig effektiv waren, dann hat man hier eine mögliche Antwort. Dort, wo die Mafia herrscht, wird eben Geld nicht im Sinne der Bevölkerung verwendet.
Geld floss in Infrastruktur statt in Bildung, Geld floss in Patentaschen statt in Jugendstätten.
Gegen Krankheit hilft es, ansonsten gesund zu sein, gegen Rechtsextremismus hilft eine starke, stabile Demokratie.
Aber Hauptsache, man sperrt Landservideos.
Lesenswert zum Thema: Schöne Städte lassen grüßen von Udo Vetter
Der angesprochene Artikel in der Zeit ist noch nicht online, ersatzweise kann auch dieser gelesen werden.
Es stellt sich (entgegen früherer Annahmen) heraus: nicht jeder Fetisch ist befremdlich. Denn wer würde nicht intuitiv die Erotik erfassen, die in der innigen Umarmung muskulöser Männer in enger Wäsche zu finden ist?
Gestern sagte ich zu meiner Lieblingslektorin, Vaginen seien an Frauen verschwendet.
“Hätte ich eine Vagina, ich würde mich unter jeder Straßenlaterne vögeln lassen von jedem halbattraktiven Seemann, Steuerberater oder Sanitäter.”
“Würdest du nicht”, sagte meine Lieblingslektorin, “du wärst dann schließlich eine Frau.”
Hat gestern jemand den kuscheligen Wahlwerbespot mit Angela Merkel im ZDF gesehen? Eine dreiviertel Stunde lang menschelte es, bis man sich wunderte, dass man nicht Merkels Kuscheltiersammlung gezeigt bekam.
Ach? Das war gar keine Wahlwerbung?
Das war – Journalismus?
So richtig mit Auchmalkritischsein und nachfragen? Und überprüfen, was Merkel eigentlich so gemacht hat, als sie die Krise so irrisinnig erfolgreich managte, dass die New York Times schrieb:
“With national elections two months away, German Chancellor Angela Merkel has tiptoed around the hard choices needed to recapitalize and restructure the banking system, experts and analysts said. The end result, they fear, will be a longer recession in Germany, where the economy is expected to shrink by at least 6 percent this year, and Germany’s export-driven economy may lose out when the rest of the world gets back to business.”
Na, nicht diese Art Journalismus. Eher so kernerig halt mit einer Prise Gemütlichkeit und Augenaufschlag.
Den kritischen Journalismus muss in Deutschland der politische Gegner machen:
Im Blogblick der Netzeitung geht es um den aktuellen Spiegel-Titel und das rechtsfreie Netz.
Der Vater meines Klassenkameraden Jörg Röder hatte hunderte von Videocassetten in einem Eichenschrank, alle Filme aus dem Fernsehen aufgenommen oder kopiert von einer Leihcassette. Eine Bekannte von mir hat auf Facebook ein paar Dutzend copyrightgeschützte Bilder in einem Fotoalbum. War der Eichenschrank der Familie Röder ein Ort, an dem Künstlerseelen geschändet wurden, wo Filmproduzenten verhungerten?
Ach was, kein Mensch hat sich für diesen Schrank interessiert, hier: Poltergeist – ich hab mich eingenässt.
Und wo ist nun der Unterschied zwischen dem Schrank und der Facebookseite?
Der Unterschied ist, dass unterdessen alle verrückt geworden sind.
Denn es werden weniger CDs verkauft. Weniger als wann? Weniger als zu dem Zeitpunkt, als die Musikindustrie jedes Album digitalisiert und noch einmal verkauft hat. Und dann hat die Musikindustrie jedes Album noch einmal neu zusammengestellt und Sondereditionen herausgebracht und Extra-Compilationen und Best-Ofs und Nowreallybestofs und NowIfuckingswearthisISthebestofs. Die Albumcharts wurden von Abba und den Dire Straits und Pink Floyd dominiert und das war 20 Jahre, nachdem diese Alben gut und neu waren.
An Neuem gab es Blümchen und La Bouche und DJ IchhabdoofesHaar, die etwas weniger als gedacht dazu geeignet waren, Menschen über 12 mit Ohren dauerhaft an sie zu binden.
Und nun werden also weniger CDs verkauft als in diesem Goldenen Zeitalter des Teenager-Beraubens. Stattdessen verdient die Industrie eine Fantastilliarde mit Lizenzen für Guitar Hero, Karaoke-Spiele und Klingeltöne. Arme Industrie. Und ja, vielleicht ist etwas weniger Geld in dem Markt, weil Kinder heute lieber die Playstation 4 für 40000 alte Euro kaufen als auf eine neue Rolling Stones-Best-Of zu sparen, die sie nicht mal ihrem besten Freund brennen dürfen, ohne dass gleich ein Rollkommando des Geldschutzes ihr Zimmer stürmt.
Aber Schuld ist das Netz.
Wenn man bei isohunt einen neuen Kinofilm sucht und ihn nicht findet, dann kann man sicher sein, dass er ein Flop ist. Nur Hits werden verbreitet. Die paar Tausend Leecher von Transformers 2, die ungeheure Verbreitung des letzten Batman – wem haben sie geschadet? Waren nicht beide Filme ungeheure finanzielle Erfolge?
Ah, es darf ein bisschen mehr sein? Etwa so wie bei deutschen Filmen? Die sind wesentlich schwerer zu bekommen und müssten folgerichtig ja im Moment boomen wie nichts Gutes. Steht der kleine deutsche Kunstfilm besser da als je zuvor, weil die gierig saugenden Bastarde den Hollywoodproduzenten Schaden zufügen und die Zuschauer ihr Geld an die Kinokasse tragen, wenn sie einen Film im Netz nicht bekommen können?
Sehr witzig.
Gott im Himmel, wäre das Netz bloß ein rechtsfreier Raum. Es wäre fast wie früher, als man bedenkenlos Freunden Bücher leihen konnte, Mixtapes für die Angebetete aufnahm, lästern konnte und schimpfen und intrigieren und die CDU albern finden durfte.
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Hier übrigens der Twitter-Account von Christian Stöcker, unserem Mann beim Spiegel.
A thousand candles may be lit by a single candle, and the life of the candle will not be shortened. Happiness never decreases by being shared.” – The Buddha
Ist ja Hippiekram, mag man sich denken. Aber tatsächlich gibt es Dinge, die werden nicht schlechter, wenn man sie teilt. Nehmen wir das Lied Ready or not von The Delfonics.
Wenigstens zwei fabelhafte Songs sind daraus entstanden. Sock it 2 me von Missy Elliott und Ready or not von den Fugees.
Die Fugees wiederum haben das Lied nicht nur durch ihre Stimmen verfeinert, das Werk gestrafft und auf Höhe der Zeit gebracht, sie haben auch noch das magische Gemurmel von Enyas Boadicea hinzugefügt.
So berühren sich über die Jahrzehnte hinweg die unvereinbarst scheinenden Musikkonzepte.
Ist das nicht wunderschön? Und wer könnte ernsthaft gelitten haben an diesem Ekklektizismus?
Wenn nun die Fotografin der CDU-Wahlplakate sich mit Händen und Füßen gegen den Remix-Wettbewerb von Netzpolitik wehrt – was offenbart das für ein Verständnis von Kunst? Und was erst von Politik?
Sind Politiker unantastbare Photoshop-Ikonen, geschützt von Verwertungsrechten?
Der politische Wettkampf soll ausgehebelt werden durch Abmahnungen, an die Stelle der besseren Idee tritt der bessere Anwalt.
Zeit für ein abendliches Mantra:
Ich will nicht versuchen, das Internet zu bändigen. Ommmmm.