Mindestens zwei bis drei Seelen schlagen in meiner Brust, wenn ich mir den Milliarden-Rechtsstreit zwischen dem Medienkonzern Viacom (unter anderem MTV und Paramount) und dem zu Google gehörenden Youtube anschaue. Denn natürlich ist es wahnsinnig praktisch auf Youtube das gesamte musikalische Erbe unserer Zeit versammelt zu haben. Wer würde im Ernst heute noch stundenlang Klingeltonwerbung und Singleshows, fette Goldkettenträger, die ihre Maybachsammlung zeigen und Ex-Gattinnen von Sylvester “Sly” Stallone ertragen wollen, um schließlich ein Video seiner Lieblingsband zu sehen?
Aber auf der anderen Seite macht Youtube natürlich Geld mit dem Wirken anderer. Und das ist etwas anderes als Lieder per Torrent zu saugen. Altmodisch gesprochen ist es eine Form der organisierten Kriminalität. Eine Form der organisierten Kriminalität wie sie Robin Hood betrieben hat. Ein Robin Hood, der den Reichen nimmt zum Wohle aller und selber reich wird damit.
Was für den Rechtsstreit gar keine Rolle spielt, aber meine persönliche Einschätzung bestimmt: Ich fände Youtube viel spannender, wenn dort tatsächlich der Leitspruch “Broadcast yourself” dominieren würde. Denn es ist doch höchst unoriginell, dass das zweiterfolgreichste Video aller Zeiten bei Youtube “Girlfriend” von Avril Lavigne ist.
(Dass man bei Youtube nicht merkt, welche Titel die eigenen Toplisten dominieren, kann kaum ernsthaft behauptet werden. Man mag dort nicht alles kontrollieren können, aber selbst das offensichtlich unrechtmäßige wird nicht beanstandet.)
Hier wäre eine Zweiteilung von Youtube in kommerzielle Titel und selbstgemachte möglicherweise eine Lösung.
Denn der eigentliche Geist von Youtube verflüchtigt sich sonst – wer kann schon mit dem neuesten Madonna-Video mithalten? Außer Grup Tekkan?
Ein weiterer Aspekt: Die Datenkrake hebt ihr hässliches Haupt. Der Spiegel schreibt dazu:
Einmal mehr erscheint das freundliche Unternehmen als Datenkrake, die fleißig daran arbeitet, unser aller Medienverhalten zu durchleuchten. Selbst wenn es das gar nicht will, schafft es die Datenbasis für einen gläsernen Surfer on demand.
Es müssen endlich verlässliche, international geltende Löschvorschriften für Daten her. Von sich aus hortet Google natürlich Daten, der Konzern würde sich gegenüber seinen Aktionären fahrlässig verhalten, wenn es das Öl des Informationszeitalters nicht aufbereiten würde zu hochwertigem Treibstoff, sprich mundgerechten Nutzerprofilen für die Werbewirtschaft. Ohne zeitgemäße Datenschutzgesetze inthronisieren wir selber den Großen Bruder. Um Avril Lavigne schauen zu können.
Irgendwie verstehe ich diesen Eintrag nicht so ganz. Oder misinterpretiere ich den Satz ueber unrechtmaessige Videos?
Das Avril Lavigne Video halte ich fuer vollkommen legal. Es wurde ja nicht von irgendwem eingestellt, sondern von RCA Records. Ich gehe mal davon aus das ist Ihre Plattenfirma (und ausserdem ist RCA ein “Partner” von YouTube). Auch die #4 wurde von einer Plattenfirma eingestellt, Univeral Music.
Sehr viele Musikvideos werden von Plattenfirmen eingestellt. Die BBC hat einen Channel auf YouTube, so dass man einiges BBC-Material ganz legal auf YouTube sehen kann. Und so ist da noch vieles mehr.
Eine strikte Trennung zwischen kommerziellen und privaten – das ist wirklich eine gute Idee!
Da sagst Du was – Löschvorschriften. Es ist technisch ungeheuer schwierig, Daten zu löschen. Und zwar so, dass sie nicht auch noch in den Backups von letzter Woche drin sind.. Dabei müssen aber alle nicht gelöschten Daten synchron gehalten werden. Du musst also alle Backups, die Du je gemacht hast mit dem aktuellen Stand synchronisieren und gleichzeitig gewährleisten, dass Deine Nutzer davon im laufenden Betrieb nichts mitbekommen.
Ich sage nicht, dass es unmöglich ist – nur ungeheuer schwierig und aufwändig. Das ist zwar ein denkbar schwaches Argument, wenn es um das Prinzip einer solchen Einrichtung geht (Stichwort: Datenverfallsdatum etc.) und soll auch bitte nicht so verstanden wissen. Ich habe nur die Erfahrung gemacht, dass viele gute Ideen aus vielen klugen Köpfen spätestens an der Umsetzung gescheitert sind und ich befürchte, dass kein Start-up es sich leisten kann, quasi doppelten Aufwand in der Datenhaltung zu treiben, um Backups in Sachen gelöschter Nutzerdaten synchron zu halten. Nun ist Google kein Startup mehr, aber wenn, müssten diese Vorschriften ja dann für alle gelten, oder?
Es ist leider schwierig.
Die langsam, aber doch fortschreitende Sensibilisierung über den Umgang mit persönlichen Daten sowie die Unterstützung von Netzwerken wie TOR erscheinen mir da lohnenswerter – zumal letztenendes sowieso niemand verlässlich überprüfen könnte, ob sich Firmen an evtl. ausgarbeitete Löschvorschriften hält (ist mind. ebenso schwierig wie diese umzusetzen) und eine solche Richtlinie hier wohl eher ein Gefühl von falscher Sicherheit aufkommen ließe.
[...] inthronisieren wir selber den Große n Bruder. Um Avril Lavigne schauen zu können…. Source: Viacom gegen das Volk Who Would Be A Worse Mom? Paris or Lindsey? Vote Now And Get A Free iPhone. Avril Lavigne Used [...]
Zwei Sachen (vielleicht bist Du ja der gleichen Meinung – ich war mir da jetzt nicht ganz sicher):
- Mir waer’s am liebsten YouTube erzielt eine Einigung mit den Mafiarechteinhabern UND behaelt seinen Benutzergenerierten Content OHNE die beiden voneinander zu trennen. Ich habe naemlich kein Problem, mir nach dem Madonna-Video einen Smosh-Film oder ein Charlie-Vlog anzuschauen. Die Trennung wuerde mich stattdessen stoeren.
- Solange ich kein Geld fuer die Nutzung von YouTube zahlen muss, bin ich damit einverstanden, dass sie erheben, welche Videos ich wie oft angesehen habe. Das duerfen sie sogar so lange speichern, wie sie wollen. Allerdings muessen tatsaechlich Loeschvorschriften her, die klar machen, dass ausschliesslich das nur das erhebende Unternehmen diese Daten nutzen darf, und auf keinen Fall z.B. in einem Gerichtsprozess verwendet werden duerfen. Dass Y die Daten an V weitergeben muss, halte ich fuer den Skandal, und nicht die Erhebung der Daten selbst.