Der Liebestöter


12
Mrz 09

Greta: Ein glücklicher Thai-Fighter

Gegen Mittag rauchten wir zusammen eine Tüte mit sanftem Thai-Gras. Greta kicherte in das Kopfkissen: „Du hast einen Schwanz wie aus dem Bilderbuch.“
„Was hast du denn für Bilderbücher gelesen?“
Sie drehte sich von der Seite auf den Bauch, stützte sich auf den Ellenbogen ab und wiederholte lachend: „Wie aus dem BIObuch.“
Sie zog mich zu sich: „Der ganze Paul sieht aus wie aus dem Biobuch.“
Ich küsste sie und fragte: „Was heißt denn das?“
Sie zog an der Tüte. „Dass ich mir meinen Mann immer so vorgestellt habe wie dich.“
Ich machte eine Kung-Fu-Bewegung und rief: “Ich bin ja auch ein Thai-Fighter!” Continue reading →


9
Mrz 09

Greta: Die Tampon-Promotion

Schon als ich auf die Liste mit den anderen Promotern geschaut habe, ist mir ihr Name aufgefallen.
Greta Ulmenthal. Das klang so großbürgerlich mit einem Hauch von Künstlertum.
Als ich sie dann unter dem türkis-gelben Banner unseres O.B.-Standes auf dem Ringfest sah, wusste ich sofort, dass sie das ist.
Sehr klug und wohlerzogen. Sehr urban und doch, als hätte sie ihre Kindheit auf dem Land verbracht.
Ich stellte mich in ihre Nähe, ignorierte meine grauenhaften Kopfschmerzen und sortierte O.B.-Flyer.
„Wer bist denn du?“, hat sie mich plötzlich gefragt. So wie man kleine Kinder anspricht, die man niedlich findet. Sie hatte sich blitzartig vor mich geschoben.
Ich sagte: „Ich bin Controller. Das heißt: Ich schleppe Kisten.“
Dann habe ich ein Foto von ihr gemacht. Teil der Aktion “Sei ganz Du” war es, zufriedene O.B.-Kundinnen mit einer Polaroid-Kamera zu fotografieren. Es schien mir eine gute Idee, ein Bild von ihr zu haben. Ich habe das Foto heute noch (in einem Album, in meiner Wohnung, in die ich jetzt nicht mehr komme). Greta mit dem O.B.-T-Shirt, das O und das B von ihren Brüsten in 3-D gesetzt, sie hält eine Packung Tampons in die Kamera und lacht ein unangemessen lebensbejahendes Lachen, hinter ihr ist der Papp-Aufsteller mit einem jungen Mädchen, das in ein Laken gehüllt ist, zu sehen. Unter dem Mädchen steht: “A Woman is born”.

Als sie sich das Polaroid-Foto anschaute, das ich in meiner Hand hielt, konnte ich ihr Gesicht ganz aus der Nähe betrachten. Ihre vertrauenserweckende Nase mit genau vier Sommersprossen, den hellblonden Flaum auf ihren Wangen, ihre makellosen, leicht übergroßen Schneidezähne, mit denen sie auf ihren Lippen kaute, die gebräunte Haut und drei kleine Narben, die aussahen wie ein Smiley mit schiefem Mund, am Kinn.

Meine Eltern hatten in ihrer Schallplattensammlung eine Kompilation (von der jeder in der Familie behauptete, von ihm sei sie nicht) aus den frühen 70ern, auf deren Cover ein lachendes schwedisches Model in einem dieser breit geschnittenen sonnenblumenfarbenen Bikinis abgebildet war. So gesund pornographisch sah Greta aus. Ich hatte dieses Cover geliebt. Continue reading →


4
Mrz 09

Vor dem ersten Date

Es ruft jemand von einer Werbeagentur an. Ob ich Lust habe, für Honda als Asimo zu bloggen. Ich wisse doch, der kleine Roboter. Honda wolle eine junge, intelligente Zielgruppe ansprechen, nicht so incentivesgeile Hausfrauen. Deshalb wollten sie ein Social Network aufbauen, das ich, also Asimo, bloggend begleiten solle. Wäre toll, wenn ich noch irgendwas Virales drehen würde.
30 000 Euro für fünf Monate.
Honda hat die Agentur zugeschissen mit Geld, der Etat liegt bei mehreren Millionen, das Geld müssen sie jetzt irgendwie rechtfertigen.
Konzerne sind die Fürstenhöfe der Neuzeit. Kultur ist nur noch möglich, wenn Konzerne sie sponsern. Der Spiegel würde ohne Werbung 25 Euro kosten, jede Hochschulkonferenz müsste abgesagt werden, wenn nicht Daimler ein Banner aufhängen würde, sogar “Wetten, dass…?” soll schon über Product Placement nachgedacht haben.
Und das Leitungswasser wird ihnen präsentiert von Coca-Cola, angereichert mit Natrium, Kalzium und Magnesium.
Es gibt kein richtiges Leben, nur Flaschen.
Ich sage, dass ich es mir überlege.
Das Gras macht mich entscheidungsunfähig. Ich schreibe ein paar Worte in mein Moleskine:

Geld.
Macht.
Glück.
Licht.
Nichts.

Dann streiche ich sie wieder durch und widme mich der Klamottenfrage, die nämlich äußerst bedrohlich ist. In der letzten Zeit habe ich einfach Matzes Kleiderschrank mitbenutzt, was zur Folge hatte, dass ich aussah wie Matzes kleinerer, älterer Bruder.
Also fahre ich zu Boss in der Friedrichstraße. Greta kann auf einen anatolischen Flohmarkt gehen und kommt nach drei Stunden aus dem Gewühl mit einem Fake-Adidas-Shirt für Kinder heraus, auf das sie dann in den nächsten Monaten ständig irgendwelche Modeidiotinnen ansprechen: „Ist das von der Phoebe Philo-Kollektion?! Das ist ja sa-gen-haft sexy.“ Ich kann das nicht. Ich habe auch nicht die geringste Ahnung, was gerade modisch ist. Ich habe sowieso den Eindruck, dass die Mode sich im Sommer 2002 selbst überholt hat und es seitdem egal ist, was man anzieht. Aber wahrscheinlich irre ich mich.
Wenn man keine Ahnung hat, ist Boss genau das Richtige. Man hat das beruhigende Gefühl, viel Geld auszugeben (Menschen vertrauen teuren Produkten), gleichzeitig ist Boss nicht modisch und man kann nicht besonders schrecklich daneben liegen. Continue reading →


23
Feb 09

Am Abend nach der Beerdigung

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Teil 1
Teil II
Teil III

Jörg holt eine Bong aus dem Küchenschränkchen. Immer noch die alte Blubber, aus der wir früher geraucht haben, ein Totenkopf aus Keramik. Wir setzen uns an den Küchentisch und füllen im Viertelstundentakt das Köpfchen des Totenkopfs.
Wir nostalgieren ein wenig, dann erzähle ich, dass ich völlig am Boden bin. Beschissene Wohnung, ungeliebt, Halbwaise, mangelernährt und keine beruflichen Aussichten.
„Was du von dieser Elisa erzählt hast, klingt doch nicht schlecht.“
Jörg zerbröselt das Gras zwischen seinen Fingern.
„Die ist schon nett, aber, naja.“
„Was naja?“
„Irgendwie passt das nicht.“
„Vögeln tust du sie doch.“
„Aber da fehlt was. Alles ist braun.“
„Wenn was fehlt, dann schlaf doch nicht mit ihr. Je länger das geht, desto mehr tut es ihr weh.“
„Braun, braun, braun. Mein Vater hat nicht einmal geraucht. Wenn man die durchschnittliche Zeit abzieht, die Raucher früher sterben und annimmt, dass ich ungefähr so alt werde, wie es meine Gene mir vorgeben, dann lebe ich noch 30 Jahre. Das ist weniger als ich schon gelebt habe. Und was war denn schon? Wo ist die verkackte Zeit geblieben? Ein bisschen gefickt, ein bisschen Drogen genommen und schon bin ich steinalt, bekomme Hämorrhoiden, Falten, Mumienmundgeruch und dann sieche ich noch ein bisschen und dann wars das.“
Jörg zieht heftig an der Blubber, verzieht das in Rauch gehüllte Gesicht, schüttelt den Kopf und sagt: „Aber du hast doch mal geschrieben, man müsse sich die Menschheit wie Schiffbrüchige auf einem Floß vorstellen. Die Situation ist aussichtslos und auch der beste Therapeut oder Priester kann nicht versprechen, dass die Sache gut ausgehen wird. Es kommt nur darauf an, wie man sich verhält. Dreht man angesichts der Hoffnungslosigkeit durch und macht Selbstmord aus Angst vor dem Tod wie die FDP. Oder reißt man sich zusammen.“ Continue reading →


20
Feb 09

Leichenschmaus

leichen

Wir fahren zum Leichenschmaus in ein Café in der Innenstadt.
Große Platten mit belegten Brötchen stehen auf den zusammengerückten Tischen. Sehr zur Freude ortsansässiger Fliegen. Ich setze mich mit Jörg an einen Tisch. Bea kommt mit hektischen Flecken am Hals dazu, rückt einen Stuhl ab, ruft gedämpft mit Was-sollen-denn-die Leute-denken-Stimme: „Sébastien, komm hier her!“. Sébastien hat gerade einen sehr ansehnlichen Popel in seiner Nase entdeckt und lutscht an ihm mit wachsender Begeisterung. Dann schmiert er ihn in einem Anfall von Großmut seinem Bruder Séverin an die Backe.

Bea stürzt zu den beiden, reißt eine Serviette von einem Stapel herunter, der daraufhin zu Boden fällt, spuckt hinein und wischt den Popel von Séverins Backe. Sébastien ist ohnehin ein aufsehenderregend hässliches Kind, aber als er jetzt anfängt, hysterisch zu weinen, schauen die Gäste beschämt zu Boden.
Sein Anblick ist unerträglich.
Ich aber kann nicht wegschauen. Ich starre gebannt auf Sébastien, der mit seinem Flusenhaar, den hinterhältigen Glubschaugen, den grotesk überlangen Gliedmaßen und der Hundenase aussieht wie ein Rohentwurf für Grobi aus der Sesamstraße, den man verworfen hat, weil selbst Kinder mit ihrer hohen Hässlichkeitstoleranz während Testvorführungen in Tränen ausgebrochen sind. Bea zerrt ihn zu unserem Tisch und setzt ihn auf den Stuhl. „So, du bleibst jetzt hier.“
„Aber Mama“, Sébastiens Stimme kollabiert beinahe, gewinnt dann aber wieder an Fahrt, „du hast doch gesagt…“. Er verstummt. Rüdiger hat das Café betreten. Augenblicklich verschwindet die Wutröte aus Sébastiens Gesicht und plötzlich sieht er aus wie ein normal-hässlicher braver kleiner Junge. Continue reading →


19
Feb 09

Beerdigung

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Ich grüße mit einem Blick in die Runde, so ernst wie möglich.
Bea umarmt mich vorwurfsvoll. „Du bist spät“, sagt sie.
„Es tut mir leid, die Autobahn war dicht.“
„Da haben sie im Radio nichts von gesagt.“
Ich umarme meine Mutter, die ihren Rücken steif macht, wie immer, wenn ihr jemand zu nah kommt.
„Paul.“ Sonst kein Wort.
Dann Franziska, die in der Schar von Beas Söhnen steht. Mein Vater hat mal gesagt, er wisse ja, dass er sie lieben müsse, aber irgendwie sei in seinen Enkeln zu viel von Beas Mann drin.
Ich reiche meinem Schwager Rüdiger die Hand. Rüdiger sieht aus wie ein fettgewordener Windhund-Rüde. Selbst seine Augen sind rotgeschwollen.
Wo nimmt er die Tränen bloß her? Rüdiger ist ein McKinsey-Arschloch und sofern das möglich ist, hält er von mir noch weniger als ich von ihm. Er zahlt im Puff mit Kreditkarte und lässt meine Schwester den Steuerberater fragen, ob man das als Werbungskosten absetzen könne (natürlich nur eine durch Stille Post entstandene Familienlegende, von Bea zu Franziska, von Franziska zu meiner Mutter, von meiner Mutter zu meinem Vater, von meinem Vater zu mir). Er fährt einen immer nagelneuen Porsche und kennt dessen technische Details auswendig. Er schwört auf klare Ansagen. Gegenüber seinen Klon-Kindern, gegenüber Bea, gegenüber den natürlich sozialverträglich abzubauenden Belegschaften der Firmen, die er niemals saniert, sondern nach dem immer gleichen Rezept einer blutigen Schröpfkur unterzieht.
„Wo ist denn Greta?“, fragt er. Keine Frage, dass er schon längst gehört hat, warum sie nicht hier ist. Er will es aus meinem Mund hören. Dass ich mit Greta bei Familienfeiern war und er mit der reizlosen, matschbusigen Bea überstieg sein Fassungsvermögen.
Ich nehme mir die Freiheit ihn zu ignorieren. Meine Mutter zeigt mir den Nachruf in den Aachener Nachrichten.
Der Architekt Karl Klinghofer ist blablabla. Soziales Engagement wird erdichtet. Ein paar Gebäude, die er entworfen hat, werden aufgezählt. Zwei von fünf stehen schon nicht mehr.
Am Ende war seine größte berufliche Leistung wahrscheinlich, nicht das berüchtigte Aachener Klinikum gebaut zu haben. Continue reading →


19
Feb 09

Vor der Beerdigung

Um 15 Uhr ist die Beerdigung, ich habe fünf Stunden Fahrt einkalkuliert, also muss ich früh aufstehen. Schlafen konnte ich aber sowieso nicht.
Ich habe mir Vorwürfe gemacht. Um 5 Uhr morgens hatte ich mich so weit, dass ich mir eingebildet habe, mein Vater wäre jetzt nicht tot, wenn ich ihn noch einmal gesehen hätte.
Ich bin aufgestanden und habe Sachen kaputt gemacht. Ich habe ein Glas auf den Boden geschmissen, ich habe auf mein Sofa eingedroschen, ich habe einen Stuhl eingetreten. Dann habe ich mich wieder ins Bett gelegt und habe versucht, mir meinen Vater vorzustellen. Hat nicht geklappt.
Pünktlich um sechs bin ich dann endgültig aufgestanden, habe mir den Fuß blutig geschlitzt an den Glasscherben, bin unter die Dusche gehumpelt und habe weiter geblutet. Dann den schwarzen Boss-Anzug und das schwarze Hemd angezogen.
Jetzt esse ich ein ungetoastetes Toastbrot mit Senf und fahre zur Tankstelle. Volltanken, Cola, noch eine Cola und zwei Päckchen JP Specials.
Da ich kein Navi habe, muss ich mich auf die Strecke konzentrieren. Trotzdem denke ich die ganze Zeit nach. Kann aber keinen klaren Gedanken fassen. Continue reading →


14
Feb 09

Urbane Legende

„Angesichts der Here-And-Nowigkeit der geldausgebenden Industrie wirst du verstehen, dass es nur mittelgut, in den Worten unseres ungefärbten Altkanzlers suboptimal kommt, wenn die Blogs, die ich vermarkte, zum letzten Mal im Winter 1944 geupdatet wurden.
Füll dein Blog, dann fülle ich dein Konto.
In Liebe, Matze“

Matze hat recht. Ich muss mehr tun.

Ohne Schlaf kann ich mich nicht konzentrieren, ohne Konzentration kann ich nicht schreiben, ohne schreiben zu können verdiene ich kein Geld, ohne frisches Geld kann ich nicht in ein Hotel, in dem ich Ruhe hätte, also muss ich weiter hier schlafen, am nächsten Tag bin ich also wieder müde und kann mich nicht konzentrieren.

Ich weiß nicht, ob es richtig ist, wenn ich mir jetzt eine neue Wohnung suche. Wenn Greta es sich anders überlegt, stehe ich dann da mit einem überflüssigen Mietvertrag.
Ich antworte Matze, dass ich im Moment bei Freunden wohne und daher nicht zum Schreiben komme. Dann versuche ich noch etwas zu schlafen, aber ich habe zu heftige Rückenschmerzen. Scheiß Matratze.

„Komm hierhin, hier ist Platz, hier kann sich dein sensibler Autorengeist entfalten. Diese Wohnung ist die Anti-Faltencreme unter den Intellektuellen-Behausungen. Mi casa und so. Bin zuhause, dein König.
In Liebe.“

Geduscht fahre ich zu Matze, nachdem ich einen Dankeszettel an Jakob und Mirijam geschrieben habe. Matze hält sein Airbook in der Linken und klopft mir mit der Rechten auf die Schulter. „Küss die Hand, ich zeige dir gleich deine Gemächer, muss gerade noch etwas eintüten.“
Matze gibt gerne die Karikatur des geschäftigen Werbers, ist aber tatsächlich der Überwerber. Das ist so ein Meta-Ironie-Ding, das ich noch nicht hundertprozentig entschlüsselt habe.

Abends sitzen wir in einer Runde, in der plötzlich alle Russisch sprechen. Ich bin der einzige, der aus Westdeutschland stammt und mit Latein kann ich nicht punkten. Ein bezauberndes DSL-Flatrate-Werbegesicht sagt etwas Vokalfreies zu mir und als ich antworte, dass ich kein Russisch spreche, wendet sie sich augenrollend mit dem Sendung-mit-der-Maus-Satz „Das war Polnisch“ von mir ab.
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9
Feb 09

Meet the Ulmenthals

Die schwerste Prüfung für meine Liebe zu Greta war ihre Familie. Am Abend waren wir zum Essen bei den Ulmenthals eingeladen. Ihre Villa in Steglitz ist unglaublich prächtig. Man könnte – und soll das vermutlich auch – glauben, dass sie sich seit Urzeiten in Familienbesitz befindet. Tatsächlich ist Gretas Vater erst reich geworden, als Greta kurz vor der Pubertät stand. Oskar Ulmenthal beherrschte den Weltmarkt für homöopathische Medikamente und allerlei esoterischen Kram, den die Leute wie verrückt kauften.
Diesen Traubenzucker- und Bachblütenversand hatte Greta bei unserem Kennenlernen als Medizinbetrieb bezeichnet.

Oskar Ulmenthal und ich gaben uns ohne einander in die Augen zu schauen die Hand. Während der Hass zwischen Greta und meiner Mutter den Raum einfrieren ließ, in dem sie sich zusammen aufhielten, gerieten ihr Vater und ich beide ins Schwitzen, wenn wir uns sahen. Er hasste mich mit ganzem Körpereinsatz. Ich meinte an seinem flackernden Blick zu erkennen, dass er in meinen Schädel kriechen wollte, um mein Gehirn mit einem stumpfen Gegenstand herauszulöffeln. Da das nicht gehen würde – und das, obwohl ich seine Tochter fickte! – wollte er wenigstens alles Schlechte aus mir herausleiten. Er hätte das gekonnt, denn er war schließlich der Guru der europäischen Heilerszene.
Obwohl er mich so offensichtlich verabscheute, war er davon besessen, mich zu missionieren. Wie er sollte ich glauben, dass seine Bioresonanz-Geräte in der Lage waren, Krankheiten zu heilen, indem sie die Schwingungen im Patientenkörper verändern. Wie er sollte ich glauben, dass Wasser durch Heilsteine zu einem potenten Medikament wird. Wie er sollte ich glauben, dass wir nach dem Tod als Energiefelder weiterexistieren.

In der Küche schaute er mir in die Augen und sagte: „Ich habe gestern erst eine wunderschöne Geschichte gelesen. Zwei Embryonen unterhalten sich darüber, ob es ein Leben nach dem Uterus gibt.“

Ich drückte den Nagel meines Daumens tief in das Fleisch meines Zeigefingers hinein.
„Der eine Embryo ist davon überzeugt, dass außerhalb der Mutter nichts sein könne. Wenn da etwas wäre, dann hätten wir hier doch etwas davon mitbekommen.“

Immer weiter malte er dieses schrecklich schiefe Bild aus, dabei hatte ich mir bisher nie den Anschein gegeben, dass ich ein Ungläubiger sein könne. Aber mit dem geübten Blick des Besessenen hatte er meine Zweifel erkannt und quälte mich minutenlang mit dem unerträglichen Gleichnis. Schließlich zum hundertsten Mal die Geschichte, dass man das Blut von Gretas kleiner Schwester nur aus sieben Metern Entfernung messen könne, weil ihre Schwingungen so stark seien.
Dann rief er Greta dazu: „Ich habe was für euch.“ Er ging zum Schrank und reichte ihr Gläser, auf denen Love, Amore, Amour und Liebe stand.
„Die positive Kraft der Worte überträgt sich auf das Wasser“, erklärte er. „Du trinkst dann praktisch Liebe.“
Während wir ins Esszimmer, eigentlich müsste man Speisesaal sagen, hinübergingen, schwärmte er davon, dass er mit seinem Bioresonanzgerät eine zuckerkranke Hündin geheilt habe, was ja Beweis genug sei, dass man von Placebo nicht sprechen könne.
Ich wäre froh gewesen, ihn einen Scharlatan nennen zu können. Aber jeden Irrsinn, den er vertrieb, seien es Wünschelruten, Feng-Shui-Ratgeber, Bücher über das Gedächtnis des Wassers oder fühlende Steine, hatte er selber erprobt und glaubte mit der ganzen Inbrunst seines verblödeten Herzens daran.
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6
Feb 09

Früher war Sommer

Abends fuhren wir zu einer Party bei Matze König.

Matzes Wohnung ist so groß, dass man in ihr Drachen steigen lassen kann. Zumindest wirkt es so, wenn man betrunken im Flur liegt, an den Becks-Flaschen vorbei nach oben lugt und die Decke nicht mehr sieht. Er nennt seine Wohnung eine „Open-Source-Wohnung“, denn meistens ist die Tür nur angelehnt und eigentlich immerzu übernachten Freunde bei ihm.

Im Reich von König Matze versammelten sich an diesem Abend Digitale und Analoge Bohème, um gemeinsam die Welt aus den Angeln zu heben oder wenigstens der Old Economy das gute alte Geld aus der Tasche zu leiern.
Auf der schwimmbeckengroßen Terrasse ließen sich Schriftsteller von Werbern überreden, für Firmenblogs zu texten, preisgekrönte Bildhauerinnen berieten wendige (aber niemals windige! Zu Matze Königs Reich haben nur gute Menschen Einlass – Matze hatte wegen dreier Insolvenzen sogar ausdrücklich den unwindigsten Steuerberater Berlins, weil „das Finanzamt mit einer riesigen Lupe“ auf ihn schaute) Webdesigner bei der Gestaltung von Autokonzernwebseiten und Der Erfinder der Popliteratur ließ sich dabei helfen, ein Bild auf sein taz-Blog hochzuladen. Von wem? Fuck – vom Passive-Aggressive Man.
Ich versuchte Greta unauffällig wegzuziehen, aber der Passive-Aggressive Man hatte uns entdeckt und steuerte verhalten zielstrebig auf uns zu.
Offiziell war er eine Art Freund, zumindest ein guter Bekannter, tatsächlich befehdeten wir uns bereits seit Monaten. Natürlich sehr subtil. Er hatte es drauf, während unserer Auseinandersetzungen stets mit herab gezogenen Mundwinkeln zu lächeln, eine sehr neiderregende Fähigkeit, aber er war schließlich ein Superheld.

Trailer: Seine Nachbarn glauben, er sei nur ein einfacher Hartz 4-Empfänger, der behauptet, Journalist zu sein, aber in seiner Wohnung, in der die ewige Nacht herrscht, wird er zum – einsetzende Superheldenmusik – Passive-Aggressive Man.

Der Passive-Aggressive Man stand mit entblößter unterer Zahnreihe vor Greta und mir. Für ihn war ich jemand, der seine Ideale verraten hatte. Die Kommerzialisierung der Blogosphäre, deren Verkörperung ich in seinen Augen war, machte ihn unglaublich zornig.
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