Ich habe aus dem an die Öffentlichkeit geratenen Koaltitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD die Passagen kopiert, in denen es um Familienpolitik geht.
Ich lese diese Abschnitte mit gemischten Gefühlen. Einerseits steht da viel Wünschenswertes. Vieles steht dort gar nicht, aber zu detailliert kann so ein Papier natürlich auch nicht sein.
Und doch fehlt mir die Dringlichkeit: Erstaunlich oft soll angeblich Funktionierendes weitergemacht werden. Und das in einem zuspätgekommenen Land wie Deutschland, das den fortschrittlichen Ländern teilweise 40 Jahre hinterherhinkt.
Es interessiert mich, was Ihr davon haltet, vor allem, was ihr euch zusätzlich wünschen würdet.
Zusammenhalt der Gesellschaft
Bevölkerungswandel gestalten
Die Koalition aus CDU, CSU und SPD begreift den Bevölkerungswandel als fundamentale Herausforderung der gesamten Gesellschaft. Er ist eine Querschnittaufgabe.
Wir werden gemeinsam mit Kommunen, Ländern, und den Gestaltungspartnern die Demografiestrategie weiterentwickeln. Sie wird gemeinsame Ziele festsetzen, Handlungsoptionen der verschiedenen Ebenen und Akteure erarbeiten und gemeinsam Beiträge der Partner verabreden.
Dabei sind die lokal sehr unterschiedlichen Auswirkungen des demographischen Wandels zu berücksichtigen. In den neuen Ländern ist der Bevölkerungswandel beispielsweise schon fortgeschritten. Die dort bewährten Maßnahmen machen wir über das Demografieportal des Bundes und der Länder zugänglich.
Wir wollen mit einem Demografiewettbewerb die Regionen unterstützen, die gute Antworten auf den demografischen Wandel gefunden haben. Familienfreundlichkeit verankern wir als Leitprinzip der Gesetzgebung und exekutiven Handelns.
Wir werden ein Prüfverfahren (Demografie-Check) einrichten, mit dem sämtliche Maßnahmen im Rahmen des Strategieprozesses auf Auswirkungen und Zielerreichung hin überprüft werden.
Wir wollen eine gleichwertige Entwicklung in Stadt und Land. Ländliche Räume haben ebenso wie städtische Gebiete Anspruch auf gute Entwicklungschancen. Wir entwickeln die „Initiative Ländliche Infrastruktur“ weiter und erarbeiten gemeinsam mit den Ländern Konzepte für strukturschwache und besonders vom demografischen Wandel betroffene Räume. Wichtiger Ansatz für eine gute Entwicklung in ländlichen Regionen ist die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Kommunen. Diese werden wir weiter unterstützen.
Der demografische Wandel bringt eine verstärkte Nachfrage nach gut qualifizierten Fachkräften im Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich mit sich. Wir wollen gute Arbeit in sozialen Berufen. Wir werden deshalb eine Fachkräfteoffensive sowie eine breit angelegten Kampagne zur Aufwertung dieser Berufe starten.
Familie
Wohlergehen und Fortschritt in unserer Gesellschaft bemesse sich auch daran, wie Menschen miteinander leben, arbeiten und umgehen. Wir wollen das Miteinander aller Menschen in unserem Land fördern, unabhängig von ihrer religiösen, politischen, weltanschaulichen oder sexuellen Identität. Wo Menschen dauerhaft füreinander Verantwortung übernehmen, wollen wir sie unterstützen. Dabei setzen wir auf einen Dreiklang von Zeit für Familien, guter Infrastruktur und materieller Sicherheit. Wir wollen Kindern und Jugendlichen gleiche Chancen auf ein gutes Aufwachsen ermöglichen. Die Gleichstellung treiben wir voran. Wir werden dafür sorgen, dass Frauen und Männer ihre Aufgaben in Familie, Beruf und Gesellschaft partnerschaftlich wahrnehmen können und bestehende geschlechtsspezifische Ungerechtigkeiten – insbesondere in der Arbeitswelt beseitigen. Dazu entwickeln wir eine Politik, die die heutigen unterschiedlichen Lebensverläufe berücksichtigt und Antworten auf die Herausforderungen der Lebensphasen gibt.
Diese Politik wird dann erfolgreich sein, wenn sie umfassend die Demographie unserer Gesellschaft zum Gegenstand hat. Familien, Seniorinnen und Senioren, Frauen und Männer sowie Kinder und Jugendliche sind in eine Strategie für die demographische Entwicklung zu integrieren, die über diese Legislaturperiode hinausgreift.
Vereinbarkeit Familie und Beruf, Erziehung, Betreuung, Bildung Kindertagesbetreuung:
Wir wollen die Qualität der Kindertagesbetreuung weiter vorantreiben. Dafür werden wir die unterschiedliche Ausgangssituation in den Ländern berücksichtigen und gemeinsam mit den Ländern unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände ein Qualitätsgesetz auf den Weg bringen. Ziel ist es, Fragen der Personalausstattung, Qualifikation und Weiterbildung der Fachkräfte, des Fachkräfteangebots sowie der Sprachbildung zu regeln. [SPD: Wir wollen vor allem im Interesse der alleinerziehenden und berufstätigen Eltern die Ganztagsbetreuung in Kindertageseinrichtungen bedarfsgerecht schrittweise ausbauen.] Nach der erfolgreichen Einführung der sprachlichen Bildung durch spezialisierte Fachkräfte in den Bundesprogrammen „Frühe Chancen Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ wollen wir die sprachliche Bildung weiter in den pädagogischen Alltag integrieren.
Wenn nach dem erfolgreichen Ausbau der Kindertagesbetreuung durch Bund, Länder und Gemeinden weitere neue Bedarfe zum Erreichen und zum Erhalt des Rechtsanspruchs U3 festgestellt werden, werden wir prüfen, [CDU/CSU: ob und] inwieweit sich der Bund an der Finanzierung der Investitionskosten durch die Erweiterung des KfW-Kreditprogramms bzw. durch ein drittes Investitionsprogramm (Sondervermögen) beteiligt.
Wir wollen die Kindertagespflege und ihr Berufsbild weiterhin stärken. Dazu sollen die Qualifizierung von Tagespflegepersonen und die Rahmenbedingungen für ihre Tätigkeit weiter verbessert werden. So wird die Kindertagespflege in das Gesamtkonzept einer qualitativ hochwertigen Betreuung, Erziehung und Bildung eingebunden.
Wir werden noch aktiver für den Nutzen betrieblicher Kinderbetreuungsangebote werben. [Um einen konkreten Anreiz für Unternehmen zur Einrichtung betrieblicher Kinderbetreuungsgruppen zu setzen, werden wir das Förderprogramm „Betriebliche Kinderbetreuung“ fortsetzen.]
[SPD: Auf dieser Grundlage werden die Mittel, mit denen der Bund sich durch eine Überlassung von Umsatzsteueranteilen bereits jetzt an den Betriebskosten (845 Mio. Euro ab 2015) beteiligt in den Jahren 2015 und 2016 in zwei Stufen um insgesamt mindestens 2,1 Milliarden Euro auf 2,945 Milliarden Euro erhöht. Die Laufzeit des Programms Schwerpunkt-Kita Sprache und Integration wird bis Ende 2015 verlängert und mit der zweiten Stufe der Aufstockung der Bundesbeteiligung an den Betriebskosten in die Verantwortung der Länder übergeben.
Zur Gegenfinanzierung werden die durch die Aufhebung des Gesetzes über das Betreuungsgeld eingesparten Mittel eingesetzt. [F: 2015 Mehrbedarf von 1,1 Mrd. Euro, 2016ff Mehrbedarf von 2,1 Mrd. Euro; der Mehrbedarf vermindert sich um die Minderausgaben durch die Aufhebung des Betreuungsgeldgesetzes. Weitere Mehrkosten durch die Fortführung des KfW- Kreditprogramms, des Förderprogramms Betriebliche Kinderbetreuung. Kosten: 110
Mio. Euro/Jahr]
„Erfolgsfaktor Familie“ und „Lokale Bündnisse für Familie“: Familienfreundlichkeit muss ein zentrales Unternehmensziel werden. Mit dem Unternehmensprogramms „Erfolgsfaktor Familie“ setzen wir uns gemeinsam mit den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft, Gewerkschaften und großen Stiftungen dafür ein, dass immer mehr Unternehmen den Nutzen von Familienfreundlichkeit erkennen.
Mit der Charta für familienbewusste Arbeitszeiten wird alle zwei Jahre ein Gremium aus Vertreterinnen und Vertretern der Sozialpartner und der Bundesregierung einen Bericht „Familie und Arbeitswelt“ mit Empfehlungen vorlegen. Die bewährten Kooperationen mit Kommunen sowie mit Akteurinnen und Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft im Rahmen der Initiative „Lokale Bündnisse“ für Familie unterstützen wir und gestalten den Prozess.
Beruflicher Wiedereinstieg: Wir werden Frauen und Männer beim Wiedereinstieg in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nach einer Familienzeit durch die Weiterführung des Programms „Perspektive Wiedereinstieg“ und durch weitere Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung fördern. Bei Einstellungen und Beförderungen im öffentlichen Dienst soll die Kindererziehung positiv berücksichtigt werden. Frauen und Männer, die eine Familienphase einlegen, sollen dadurch keine Karrierenachteile erleiden.
Mehr Zeit für Familien – Partnerschaftlichkeit stärken
Zeitpolitik: Familien brauchen Zeit füreinander. Deshalb machen wir uns stark für eine moderne lebenslauforientierte Zeitpolitik, die Frauen und Männer dabei unterstützt, Beruf, Familie und Engagement zu vereinbaren. Wir wollen Familien wieder zum Taktgeber des Lebens machen: Arbeitgeber, Betreuungseinrichtungen, Schulen, Ämter und Behörden, Dienstleistungsanbieter und Verkehrsbetriebe sollen die zeitlichen Bedürfnisse von Familien besser berücksichtigen und ihre Öffnungs- und Sprechzeiten aufeinander abstimmen. Zeitpolitik befördert wesentlich Wahlfreiheit und ein partnerschaftliches Zusammenleben in Familien.
Elternzeit: [Wir werden die 36 Monate Elternzeit flexibler gestalten. Dazu sollen auch ohne die Zustimmung des Arbeitgebers nach angemessener vorheriger Anmeldung zukünftig 24 statt 12 Monate zwischen dem 3. bis 14. Lebensjahr des Kindes (bisher 8. Lebensjahr) von Müttern und Vätern in Anspruch genommen werden können.]
Elterngeld: [F: Wir werden dafür sorgen, dass den Bedürfnissen der Eltern durch flexiblere Elterngeldregelungen besser entsprochen wird. Zur Weiterentwicklung des Elterngeldes soll das „ElterngeldPlus“ eingeführt werden. Mit einem „ElterngeldPlus“ wollen wir Eltern für die Dauer von bis zu 28 Monaten die bestmögliche Inanspruchnahme des Elterngeldes in Kombination mit einer nicht geringfügigen Teilzeittätigkeit ermöglichen und damit den Wiedereinstieg, vor allem für Alleinerziehende, erleichtern. Den doppelten Anspruchsverbrauch werden wir hierbei beenden.
Mit dem ElterngeldPlus werden wir einen Partnerschaftsbonus z. B. in Höhe von zehn Prozent des Elterngeldes einführen. Ihn erhalten alle Elterngeldbeziehenden, die beide parallel 25-30 Wochenstunden arbeiten. Kosten: 60 Mio Euro/Jahr]
Haushaltsnahe und familienunterstützende Dienstleistungen: [F: Wir werden für Fa-milien die Inanspruchnahme von haushaltsnahen und familienunterstützenden Dienstleistungen weiter erleichtern. Erwerbstätige Eltern, die im Haushalt Kinder betreuen oder Angehörige pflegen, sollen so unterstützt werden, dass mehr sozialversicherte und fair bezahlte Beschäftigung im Privathaushalt entstehen kann. Dabei wollen wir Alleinerziehende und Mehrkinderfamilien besonders im Blick haben.] Wir werden eine Dienstleistungsplattform aufbauen, auf der legale gewerbliche Anbieter haushaltsnaher familienunterstützender Dienstleistungen für Familien und ältere Menschen leicht zu finden und in Anspruch zu nehmen sind.
Aktive Väter: Eine zeitgemäße Familien- und Gleichstellungspolitik bezieht auch Jungen und Männer ein. Wir wollen auch die Rolle des aktiven Vaters in der Kindererziehung und Familie weiter stärken. Erforderlich sind bessere Rahmenbedingungen, damit Väter und Mütter Aufgaben in Familie und Beruf partnerschaftlich aufteilen und Männer eine engagierte Vaterschaft leben können.
Finanzielle Sicherheit für alle Familien
Kinderarmut bekämpfen: Kindergeld, Kinderzuschlag, Kinderfreibetrag: [F CDU/CSU: Wir wollen eine finanzielle Entlastung von Familien durch Verbesserungen bei den steuerlichen Kinderfreibeträgen und beim Kindergeld erreichen. Das Kindergeld leistet einen wesentlichen Beitrag zur Armutsvermeidung von Kindern. Wir wollen es in dieser Legislaturperiode erhöhen. Kosten: 10 Euro Kindergelderhöhung = 1,6 Mrd. Euro, 500 Euro Kinderfreibetragserhöhung = 390 Mio. Euro/Bund]
Durch eine Weiterentwicklung des Kinderzuschlags, der unbürokratischer werden soll, erreichen wir eine bessere Absicherung von Familien mit kleinen Einkommen.
Der Kinderzuschlag ist die effizienteste Leistung, um zu vermeiden, dass Familien mit Kindern Leistungen nach dem SGB II beziehen müssen. [F: Daher wollen wir den Kinderzuschlag erhöhen und ihn durch den Wegfall der Höchsteinkommensgrenze stärken. Kosten: 300 Mio. Euro]
[SPD: Der Kinderzuschlag soll so erhöht werden, dass er einschließlich des Kindergeldes und Wohngeldanteils den durchschnittlichen Gesamtbedarf eines Kindes deckt. Erwerbstätige Eltern sollen dadurch unabhängig vom SGB II-Bezug werden. Kosten: noch offen]
Finanzielle Situation Alleinerziehende und Geschiedener: [F: Der steuerliche Entlastungsbetrag für Alleinerziehende beträgt seit seiner Einführung zum 1.1.2004 unverändert 1.308 Euro, er soll angehoben werden. Die Höhe des Entlastungsbetrags soll zukünftig nach der Zahl der Kinder gestaffelt werden. Kosten: 60 Mio. Euro/Jahr]
Unterhaltsvorschuss:
[F: Wir streben eine Regelung mit den Ländern an, um eine Erhöhung der Lebensaltersgrenze bei Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz von 12 auf 14 Jahre zu erreichen. Kosten: 80 Mio. Euro/Bund]
Kinderpolitik
[SPD: Wir werden die Kinderrechte im Grundgesetz verankern, insbesondere den Schutz, die Förderung und die Beteiligung von Kindern. Wir werden jede politische Maßnahme und jedes Gesetz daraufhin überprüfen, ob sie mit den international vereinbarten Kinderrechten im Einklang stehen.]
Adoption: Wir wollen das Adoptionsverfahren weiterentwickeln, das Adoptionsvermittlungsgesetz modernisieren und die Strukturen der Adoptionsvermittlung stärken.
Das Kindeswohl muss dabei immer im Vordergrund stehen. Wir wollen die Möglichkeiten zur Adoption vereinfachen und die Begleitung und nachgehende Betreuung der Adoptiveltern verbessern. Wir werden uns dafür einsetzen, dass im Adoptionsrecht die höhere Lebenserwartung der Menschen und die Tendenz zur späteren Familiengründung berücksichtigt werden und wollen, dass bei Stiefkindadoptionen das Verwandtschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern im Einvernehmen erhalten bleiben kann. Zudem werden wir kurzfristig die Sukzessivadoption für eingetragene Lebenspartnerschaften gesetzlich regeln. [SPD: Lebenspartnerschaften werden bei Adoptionen Ehepaaren gleichgestellt.]
Die Leihmutterschaft lehnen wir ab, da sie mit der Würde des Menschen unvereinbar ist. Wir werden das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft bei Samenspenden gesetzlich regeln.