Sehr geehrter Herr Präsident, einer Ihrer zahlreichen inoffiziellen Ehrentitel ist “Führer der freien Welt”.
Es gab in der Geschichte der Menschheit zahlreiche Führer der Welt. Von Alexander über Nero bis zu Dschingis Khan und Napoleon formten Männer die Geschichte, die ihre Völker in Ketten legten.
Einzig die amerikanischen Präsidenten konnten für sich in Anspruch nehmen, Völker zu befreien.
Noch heute gilt der Tag der deutschen Niederlage im zweiten Weltkrieg als Tag der Befreiung.
Mr President, als Sie gegen Ihren Vorgänger antraten, war die Begeisterung in Deutschland, ja in der ganzen Welt, so groß, dass man Sie vermutlich zum Kanzler, zum Prime Minister, Generalsekretär der Kommunistischen Partei, wahrscheinlich sogar zum Ministerpräsidenten Bayerns gewählt hätte.
Die ganze Welt hat auf Sie geschaut. Sie waren ein moralisches Versprechen.
Viele amerikanische Präsidenten hatten ihren Teil dazu getan, das Bild vom Führer der freien Welt zu beschädigen.
Japanische Amerikaner waren interniert, linke Intellektuelle auf schwarze Listen gesetzt, junge Menschen in immer fragwürdigere Kriege getrieben worden. Doch immer blieb da dieses Versprechen von Freiheit, der Glanz der Miss Liberty, der über das ganze Land strahlte.
1989 waren Sie noch ein junger Mann. Damals endete die Zeit einer Macht, die einer Ihrer Vorgänger als Evil Empire bezeichnet hat. Die Menschen in Deutschland lagen sich in den Armen. Es war nicht einfach nur die Freude darüber, wieder vereint zu sein. Es war das unfassbare Glück zu sehen, dass Menschen nicht überwacht werden können, dass die Freiheit siegen kann.
Die Stasi öffnete Briefe, sie verwanzte Wohnungen, sie zwang Freunde, Freunde zu bespitzeln, Ehepartner schwärzten einander an.
Es war wie wir heute wissen, kein Imperium des Bösen, sondern eine recht normale Diktatur.
Wenn nun Ihre Geheimdienste jede Nachricht, die wir einander zukommen lassen, jedes Foto unserer Kinder, jeden Liebesschwur und jeden Wutaubruch, speichern, archivieren, lagern, um ihn eines fernen Tages möglicherweise gegen uns zu verwenden, dann nutzen Sie dies nicht, um uns zu unterdrücken.
Sie wollen uns schützen.
Sie rauben uns unsere Würde, um uns zu schützen.
Was ist die Würde vieler gegen das Leben einiger?
Alles.
Das Wesen der Würde besteht darin, nicht aufwiegbar zu sein. Es widerstrebt menschlicher Ethik, den einen zu opfern, damit viele leben können. Die Jungfrau, die dem Drachen geopfert wird: Das war ein barbarischer Akt.
Was dann erst die Opferung unser aller Würde?
Mr President, reissen Sie die Kopfhörer herunter, seien Sie der Führer der freien Welt, nicht bloß ein weiterer Herrscher.
Monthly Archives: Juni 2013
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Jun 13
Mr President: Tear down these headphones!
13
Jun 13
Sie sind wahrscheinlich etwas hässlich
Die Schatten unter Ihren Augen werfen Schatten, und Sie wissen, dass Sie endgültig aussehen wie Ihre Mutter, wenn Sie morgens in den Badezimmerspiegel schauen und eine Erklärung für Ihre Morgenlatte stammeln. So ist das eben.
Denken Sie nicht so viel über Ihren Körper nach. Er ist nicht für Ihr Glück verantwortlich und viel ändern können Sie sowieso nicht.
Ihr Haar ist fettig, die Nase groß, die Zähne klein. Naja: Irgendwie müssen Sie halt aussehen. Und wer will schon große Zähne haben?
Schön ist, was nicht herausfällt aus dem Normalmaß, was unauffällig ist. Mit anderen Worten: Wenn Sie von flüchtigen Bekannten problemlos auf der Straße erkannt werden, sind Sie vermutlich ein bisschen hässlich.
Allerdings ist das kein Problem, denn Schönheit hat mit der Liebe nichts zu tun, es ist unmöglich, so hässlich zu sein, dass man nicht glücklich werden kann.
Attraktivitätsforscher hingegen sind sich gerade in diesem Punkt einig: Körperliche Attraktivität ist die wichtigste Regel der Anziehung.
Wenn Schönheit aber so wichtig ist: Warum sind wir dann nicht alle 1,90 Meter groß, duften, sind sportlich und symmetrisch? Schauen Sie sich Ihren Vater und Ihre Mutter an und beantworten Sie doch bitte anhand all dieser Studien: Wie um Gottes Willen haben die zueinander gefunden? Auch wenn sich die Wissenschaft um objektive Kriterien für Attraktivität bemüht, in der Regel hängt es davon ab, wen man fragt.
Die Leser der Bunten wählten Cosma Shiva Hagen auf Platz 1 ihrer Sexbombenliste, die der Bild Charlotte Engelhardt.
Es kommt aber auch darauf an, wann man fragt: 2003 ließ RTL die erotischste Frau Deutschlands küren, Siegerin wurde die DSDS-Finalistin Juliette Schoppmann. Sie war zu dem Zeitpunkt häufig im Fernsehen zu sehen und erschien den Zuschauern daher als besonders attraktiv.
Aber was ist denn nun schön? Vielleicht kann man unter Laborbedingungen eine Definition finden:
„Bei Frauengesichtern sind kindliche Merkmale wie große, rundliche Augen, eine große gewölbte Stirn, sowie kleine, kurze Ausprägungen von Nase und Kinn stark attraktivitätserhöhend.“
Das fanden Psychologen der Universität Regensburg heraus. Sie hatten 64 Frauengesichter fotografiert und diese dann am Computer vermischt und mit kindlichen Merkmalen versehen. Die Resultate ließen sie von Testpersonen beurteilen. Am attraktivsten wurden jene Gesichter eingeschätzt, denen eine hoher Kindchenanteil beigemischt worden war. Nach den Gesetzen der Biologie können solche Gesichter in der Realität allerdings nicht existieren, worauf die Regensburger Psychologen auch ausdrücklich hinweisen.
Was bedeutet das nun für uns, die wir in der Realität mit unseren äußerst realistischen Gesichtern umzugehen haben?
Gar nichts.
Aber unsere Gesichter sind meistens auch gar nicht das Problem, sie kennen wir ja aus dem Spiegel und was wir oft sehen, das finden wir auch hübsch. Unzufrieden sind wir mit unseren Körpern, die sehen wir zwar auch dauernd, aber Körper sind so unpersönlich und zu unserem großen Verdruss viel messbarer als Gesichter, so dass wir nur in eine BMI-Tabelle schauen müssen, um zu wissen: Mein Körper hat mich verraten.
Ökonomen der Universitäten Columbia und Alicante haben herausgefunden, dass zumindest Männer recht unbelastet futtern können. Sie müssen bloß mehr verdienen. In Fatter Attraction: Anthropometric and Socioeconomic Characteristics in the Marriage Market legen sie dar, dass 10 Kilo zusätzliches Gewicht durch ein Gehalt, das um 1 Prozent höher ist als das des schlankeren Konkurrenten, ausgeglichen werden können. Wenn also der eine Mann ein Gehalt von 3000 Euro hat, dann kann der andere mit nur 60 Euro, die er im Monat mehr verdient, zwanzig Kilo dicker sein, um genauso attraktiv gefunden zu werden.
Den Forschern zufolge spielt die physische Attraktivität von Frauen eine größere Rolle auf dem Heiratsmarkt als die der Männer. So kommt es, dass schwerere Frauen dreifach gestraft sind: mit einem Ehemann von niedrigerem sozioökonomischen und physischem Status (ärmer, schlechter ausgebildet und kleiner). Schwere Männer hingegen sind jedoch nur einfach gestraft: Ihre Ehefrauen erreichen ein niedrigeres Bildungsniveau. Kleine Frauen neigen dazu, Männer mit niedrigerem sozioökonomischen Status (schlechter ausgebildet und ärmer) zu heiraten. Kleine Männer hingegen müssen auf zweierlei Ebenen Abstriche machen: auf der physischen und der sozioökonomischen, denn ihre Ehefrauen sind schwerer und schlechter ausgebildet. Die Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass Männer und Frauen bei der Partnerwahl verschiedene Kriterien unterschiedlich stark gewichten: Männer legen mehr Wert auf den weiblichen Körper und weniger auf ihre ökonomischen Ressourcen – Frauen hingegen achten eher auf die Versorgungsfähigkeiten des Mannes und weniger auf dessen Aussehen.
Wie hat dann der winzige Lenny Kravitz die schöne Vanessa Paradis erobert; wie der zwergenhafte Tom Cruise die schlanke Katie Holmes? Ach ok, die sind ja reich. Aber wie konnten Kravitz und Cruise überhaupt erst so reich werden, wenn doch nur attraktive (also große!) Männer Erfolg haben? Alles so kompliziert mit den Regeln der Anziehung.
Wenn man aber nunmal ein kleiner Mann ist und zufällig kein Star, nicht singen kann und vor der Kamera ins Stottern gerät, was könnte man dann tun?
Otto Rehhagel, als Trainer Europameister mit Griechenland geworden, wurde einmal gefragt, warum er nur so große Spieler in der Abwehr aufstelle. „1,90 Meter kann man nicht trainieren“, sagte er, und wer würde ihm da widersprechen wollen. Ich meine: Europameister. Mit Griechenland!
Größe fällt also schon einmal weg.
Aber man könnte doch Pumps anziehen oder wie Sylvester Stallone besonders dicke Sohlen tragen oder mit einem kleinen Kasten herumlaufen wie Humphrey Bogart oder aber zu Stehpulttricks greifen wie Gerhard Schröder oder sich mit winzigen Tänzern umgeben wie Madonna?
Irgendwann jedoch kommt die Stunde der Wahrheit, irgendwann muss man die Schuhe ausziehen, man vergisst den Kasten, kommt hinter dem Stehpult hervor oder steht neben einem ausgewachsenen Menschen. Und dann sieht man erst recht klein aus.
Wenigstens der Sport bleibt doch den optisch Herausgeforderten, um ein paar naturgegebene Nachteile auszugleichen, nicht wahr?
Aber wofür?
Es führt zu nichts, sich mit seinem Aussehen zu beschäftigen. Ein niedriger Körperfettanteil macht nicht glücklich. Im Wesentlichen bleibt man eine Kreuzung zwischen seinen Eltern, da hilft alles nichts. Die Zeit, die man in Optikverbesserungsmaßnahmen steckt, würde man besser mit anderen Menschen verbringen. Denn Nähe macht attraktiver als Fettabsaugung.
Je mehr man sich mit seinem Körper beschäftigt, desto unzufriedener wird man – niemand fühlt sich so bleich wie der Solariums-Dauergast, niemand entdeckt so viele Schwachstellen an seinen Deltamuskeln wie der Bodybuilder, niemand fühlt sich so fett wie der Mensch auf Diät.
Der Text ist ein Ausschnitt aus dem Kapitel “Sie sehen aus!” aus Frauen und Männer passen nicht zusammen, auch nicht in der Mitte (Amazon-Link)
10
Jun 13
Die erschreckendsten Hits der 90er
Während viele der schlechtesten Hits der 80er in ihrem Dilettantismus auch etwas Rührendes hatten, fehlt dieser Auswahl der schlechtesten Hits der 90er auch nur der kleinste Funken Inspiration und Leidenschaft.
Die Hits der 80er hatten kein Hirn, die Hits der 90er kein Hirn und kein Herz. Continue reading →