Mein in Japan lebender Freund Robin berichtet, wie er dort einen Internetanschluss bekommt:
Wir sind jetzt umgezogen und ich habe einen neuen Internetanschluss beantragt. 30 Minuten nachdem ich das Online-Formular ausgefuellt hatte, kam ein Anruf von dem Callcenter. Den konnte ich nicht beantworten, weil ich bei der Arbeit war, also habe ich spaeter die kostenfreie Nummer zurueckgerufen und der Dame meinen Namen gesagt, die wusste dann Bescheid und hat mir einen Termin fuer die Installation genannt. Der lag zwei Wochen in der Zukunft, also hat sie sich entschuldigt (haette sie aber auch, wenn es zwei Tage gewesen waeren).
Leider gibt es in meiner Gegend noch keine Gigabit-Leitungen, also muss ich mit 200 MB-Download (best effort) Vorlieb nehmen. Ich glaube, es kostet 4000 Yen im Monat. Fernsehanschluss und Telefon sind inbegriffen. Die Installation kostet ca. 30.000 Yen, wird uns aber in 24 Monatsraten zurueckgezahlt.
4000 Yen sind etwa 30 Euro im Monat, die Installation ist entsprechend mit etwa 230 Euro durchaus happig, ist aber eher eine Art Investitionsvorschuss, die man dem Unternehmen gewährt. Dazu muss man bedenken, dass Japan ein Hochlohnland ist. Vor dem Umzug hatte er übrigens 1 Gigabit/s.
Sascha Lobo schreibt in seiner Kolumne auf SpOn:
Die durchschnittliche Geschwindigkeit in Deutschland liegt bei 6 Mbit/s, mehr als 10 Mbit/s erreichen nur 8,8 Prozent der Anschlüsse.
Die Empörung der Nutzer hilft da wenig. Kerstin Hoffmann, die sich auf der Facebookseite von Vodafone über ihren Vertrag beschwert hat und zwar viele Likes bekam, aber nicht das, was sie wollte, schreibt dazu: “Immer mehr Fachleute legen nahe, dass es zwar noch keine belastbaren Untersuchungen gebe, dass aber wahrscheinlich die Auswirkungen der digitalen Empörungswellen weit geringer für die Firmen seien, als bisher allgemein orakelt wurde.”
Ich habe diese Erfahrung ebenfalls gemacht. Auch auf meinen Text hin hat sich bei Vodafone niemand gerührt.
Ich habe damals versucht, zu verstehen, warum es in Deutschland mit der Telekommunikation so schwierig ist. Ich habe die Geschichte der Unternehmen nachgezeichnet, die beinahe unmenschlichen Arbeitsbedingungen der Callcenter-Agents beschrieben.
Aber irgendeinen spezifischen Grund muss es doch darüber hinaus geben, dass das Thema Internet von der deutschen Politik im Grunde nur als Bedrohungsszenario erwähnt wird. Das Internet ist hier zum einen etwas, das dem Bestehenden etwas wegnimmt: Dem Tatortschreiber seine Tantiemen, dem Buch seine Leser, den Zeitungen ihre Texte. Zum anderen wird es als reine Unterhaltungsmaschine wahrgenommen. Demzufolge wird man durch ein technisches Wunder, das einem Zugriff auf das Wissen der Menschheit ermöglicht, dümmer (“Digitale Demenz”).
Schon in den Achtzigern zeichnete sich eine spezifisch deutsche Technikangst ab. Die jüngste Partei des Landes wollte ein Zurück zur Natur. In diesem Gesamtkontext versteht man, wie wichtig die Piraten sein könnten. Hätten gewesen sein können, muss man wohl sagen.
“Darauf zu hoffen, dass der Markt diese Probleme reguliert, hieße darauf zu hoffen, dass die großen Tabakfirmen eine Zigarette erfinden, die Krebs heilt”, habe ich damals geschrieben. Man braucht die Politik. Wieder Sascha Lobo fordert dazu auf, die Blogger von Netzpolitik.org zu unterstützen. Ich denke, man kann sich da anschließen, aber ich will noch nicht ganz von den Piraten ablassen. Wenn die vielleicht mal einen Moment aufhören könnten, sich bei Twitter gegenseitig Vorwürfe zu machen, und sich wieder konzentrieren würden – es wäre wirklich fabelhaft.
Seltsam, dass es im Zuge der Medien(r)evolution kaum jemand in Erwägung gezogen hat, dass sich Parteien thematisch *hauptsächlich* um Themen wie Telefonie (1890), Massenpresse (1900), Radio (1925) und Fernsehen (1955) kümmern sollten. Vielleicht waren da die Leute einfach schlauer, weil sie nicht grundnaiv wie einige Piraten davon ausgegangen sind, dass allein die Verfügbarkeit und Nutzung von Kommunikationstechnologien Menschen und ihr Zusammenleben bedingt .
Das waren interessanterweise bis hin zum Fernsehen Medien, bei denen Deutschland eine Vorreiterrolle hatte. Ich wüsste aber auch nicht, welche Parteien das hätten sein können.
Das Internet ist schon noch etwas umfassender als ein technisches Update der bisherigen Medien. Entsprechend hat es eine gesellschaftliche Relevanz, die Roman Herzog bereits in frühem Stadium mit der Dampfmaschine verglichen hat. Und wenn man sich überlegt, welchen Einfluss die Dampfmaschine auf die menschliche Zivilisation hatte, wäre es vielleicht schon damals kein Fehler gewesen, eine Partei zu haben, die dafür sorgt, dass die Technologie gesellschaftlich effizient und breitgefächert eingesetzt werden kann und nicht nur von wenigen Wissenden, die damit gerne auch mal gegen die Interessen der restlichen Gesellschaft arbeiten.
Leider sind die Piraten dafür die falschen Ansprechpartner, weil sie zu sehr damit beschäftigt sind, das Internet vorbehaltlos zu loben und zu preisen, anstatt sich damit auseinanderzusetzen.
Die Piraten sind nicht die einzigen, die einen Netzausbau wollen…
http://www.telemedicus.info/article/2123-Der-netzpolitische-Leitbeschluss-der-Gruenen.html
[...] piraten (malte welding) weitersagen:TwitterGoogle +1MehrStumbleUponRedditLinkedInDiggFacebookTumblrPinterestDruckenE-MailGefällt mir:Gefällt mir Lade… [...]
Für kleine Parteien kann es durchaus sinnvoll sein, sich auf einige Punkte zu beschränken, diese aber mit Nachdruck in die Köpfe der Wähler zu bekommen. Inzwischen äussern sich die Piraten zu jedem Mist und das einzige, was beim Wähler ankommt, ist Kakophonie (woran sie auch kräftig mitarbeiten).
Internet für alle, freies Internet, freie Daten, Transparenz in Verwaltung und Wirtschaft (zur Bekämpfung von Korruption und Geldverschwendung). Das wären Punkte, mit denen die Piraten punkten könnten. Weil sie sie galubhaft vertreten könnten und das nicht nur sinnlos in den Wahlprogrammen stehen würde und am Ende doch nicht umgesetzt wird (wie bei Rot-Grün).
[...] wir müssen aufhören, uns nur mit uns selbst zu beschäftigen. [...]
[...] Piraten! | Malte Welding – Schon in den Achtzigern zeichnete sich eine spezifisch deutsche Technikangst ab. Die jüngste Partei des Landes wollte ein Zurück zur Natur. In diesem Gesamtkontext versteht man, wie wichtig die Piraten sein könnten. Hätten gewesen sein können, muss man wohl sagen. [...]