Sprache

Die ersten Konzentrationslager, die Deutsche errichteten, bauten sie für Afrikaner.
Es waren keine Vernichtungslager, sondern im Wortsinn Internierungslager. Und doch führten die Deutschen einen Vernichtungskrieg, im Zuge des Hereroaufstands wurden auch Frauen und Kinder in die Wüste getrieben, um sie dort verdursten zu lassen.
Wird gern getan, als sei das Unbehagen an bestimmten Begriffen einfach nur ein Erbe der amerikanischen Political Correctness, so haben Deutsche durchaus aus eigener Geschichte eine Verpflichtung zu sprachlicher Besonnenheit.
Ich habe hier schon vor einigen Jahren mehr dazu geschrieben.
Besonders irritierend an der derzeitigen Debatte ist, dass ein Verlag, der sich selbst dazu entschieden hat, verletzende Sprache zu ändern, in eine Zensurdebatte gerissen wird. Wäre es nicht gerade Zensur, einen Verlag mitsamt Autor dazu zu verpflichten, auf ewig werktreu zu sein?
Das vorweggenommen bin ich ein Anhänger der derben Sprache. Es käme mir nicht in den Sinn, wenn ich über die aktuelle Debatte spreche, vom N-Wort zu reden, so wenig es mir in den Sinn käme, das umstrittene Wort zu benutzen.
Entscheidet ein Künstler sich für eine bestimmte Sprache, neige ich immer dazu, ihm das Recht zu geben, diese zu benutzen. Und wie es im Moment aussieht, bestreitet ihm das auch niemand. Noch einmal: Nicht das Bundesgesundheitsamt hat die Kleine Hexe verändert, es war der Verlag selber.
Zuletzt vielleicht noch ein Hinweis: Wenn man in Elternforen Threads liest, in denen Eltern darüber schreiben, dass sie fürchten, ihr Kind könne das Downsyndrom haben, wird jedes Mal gesagt: Aber das wäre natürlich nicht schlimm, alle Kinder wären gleich wertvoll. Man könnte glauben, man infomiere sich nur mal eben, wie man Kinder mit Downsyndrom so aufzieht. In Wirklichkeit treiben fast alle Eltern, die auch nur den Verdacht haben, ihre Kinder könnten mit diesem Syndrom zur Welt kommen, die Kinder ab.
Entsprechend haben wir endlich eine weniger verletzende Sprache in den Medien etabliert. Aber Asylbewerber haben im Winter nicht genügend warme Kleider.
Es muss nach den Ursachen der Ablehnung, der Angst geforscht werden. Die Veränderung der Sprache ist nur ein winziger Schritt. Es geht um eine echte Bejahung von Unterschiedlichkeit.

*Der Text ist ein Notizzettel an mich selber für ein Radiointerview. Weil ich für einen Witz meine Großmutter bereits 1981 verkauft habe, brauche ich von Zeit zu Zeit ein Netz.

10 comments

  1. Du schrubst da oben: “Besonders irritierend an der derzeitigen Debatte ist, dass ein Verlag, der sich selbst dazu entschieden hat, verletzende Sprache zu ändern, in eine Zensurdebatte gerissen wird. Wäre es nicht gerade Zensur, einen Verlag mitsamt Autor dazu zu verpflichten, auf ewig werktreu zu sein?”

    Du setzt da Verlage (und wohl entsprechend Autoren, die alte werke überarbeiten) mit Urhebern gleich. Ich sehe die gesamte Debatte zwar auch durchaus skeptisch, aber der Absatz stört mich dann doch.*

    Allein von dem Standpunkt aus würde ich so was in der art dagegenhalten: “Die Verlage verwerten nur. Sie schreiben nicht. Woher nehmen sie das Recht, die “echten” Schreiberlinge zu zensieren? Wenn es ihnen nicht passt, sollen sie es nicht veröffentlichen und die entsprechenden Rechte abtreten.”*

    Ich persönlich würde jedenfalls keinen Verlag gutheißen, der meint, den Inhalt meiner (!) Bücher (die in einer Paralleldimension bestimmt existieren *ahem*) einfach umschreiben zu können. Man schreibt doch auch nicht einfach Kafka, Shakespeare oder Dickens um. Okay, macht man doch. Aber ich persönlich kaufe auch sehr ungern “aktualisierte, modernisierte” auflagen.

    * Oder sagt der Autor (um “kleine hexe” gings, nich?) in persona (falls er noch nicht tot ist), dass er es jetzt ändern möchte? Dann… just these two phrases: “Is seins. Lasst ihn.” (Womit wir übrigens wieder einen wunderschönen Bogen zu Kafka schlagen könnten und den Umständen, unter denen sein Werk veröffentlicht… ich schreibe zuviel in Klammern. Entschuldgung)

    • P.S: Man verzeihe mir die Rechtschreibfehler. Man verzeihe ihm die nichtexistente Editierfunktion.

    • Ja, Ottfried Preußler (oder seine Familie, er ist recht alt) ist damit einverstanden.

      • Preußler ist einverstanden, nachdem er sich lang dagegen gesträubt hat:

        “Otfried Preußler hat sich lange gegen Änderungen gewehrt
        Der 89-jährige Otfried Preußler […] hatte sich laut Bericht lange gegen jede Änderung seines Klassikers “Die kleine Hexe” gestemmt […]. “Mit der Zeit ist aber die Einsicht gewachsen, dass die Authentizität des Werks der sprachlichen Weiterentwicklung untergeordnet werden muss”, sagte Willberg.”
        (http://www.stern.de/kultur/buecher/preusslers-kleine-hexe-ueberarbeitet-negerlein-verschwinden-aus-kinderbuchklassiker-1950169.html)

  2. Die Änderungen des Verlages waren vermutlich weniger aus Überzeugung als eher aus einem Verständnis der Political Correctness.

    Wie schlimm es damit steht, zeigt dieser Artikel:

    http://kleinerdrei.org/2013/02/political-correctness/

    Solche Artikel machen mir angst. Kommentare von mir wurden leider gelöscht.

  3. Wie Du schon schreibst, wenn Verlage etwas verändern kann das schon qua definitionem keine Zensur sein. Die muss von staatlicher Stelle ausgehen. Als Elternteil wollte ich keine Bücher kaufen, in denen Wörter wie Neger stehen und noch weniger will ich mit einem 5-jährigen Kind einen Diskurs über diese Begrifflichkeiten anfangen. Du hast Recht, dass die Veränderung von Sprache nur ein erster Schritt sein kann. Eigentlich sollte es zu einer Einstellungsänderung kommen. Der feministische Diskurs übernimmt, aber tatsächlich viel aus den USA. Ich lese sehr viel über fehlende Schwarze Tagesschausprecher, aber wenig über türkische Migranten. Nach ihrer Anzahl sind sie im öffentlichen Leben klar unterrepräsentiert, allerdings scheinen hier einige Transferleistungen auf die hiesige Gesellschaft auszubleiben.

    • Der letzte Teil ist sehr passend. Das ist das Problem, wenn man sich nur theoretisch und virtuell mit diesen Problemen beschäftigt. Ich habe auf solchen Seiten mehr englische Wortkonstruktionen entdeckt als auf typischen IT-Seiten.
      Zumal eben die feministische Sprache auch gleich von vornherein Leute ausgrentzt, die mit den Vokabeln noch nicht vertraut sind. Und da Feministinnen etwas erreichen wollen sollte sie auch selbst dafür sorgen, dass sie allgemein verständlich sind.
      Oder glaubt dort wirklich jemand, dass Bildungsferne auf Anhieb wissen, was Critical Whiteness ist.
      Und anstatt sich um sowas zu kümmern und dieser bewussten Abgrenzung und elitärem Gehabe abzuschwören muss man dann lesen, dass es ja sooo anstrengt ist immer bei Null anzufangen etwas zu erklären. Kurzer Tipp: Ihr wollte, dass sich etaws verändert, dann müsst ihr euch auch darum bemühen.
      Das ist glaube ich diese westliche Faulheit und das behütete Aufwachsen, ja keine Anstrengung und wenn es Konfrontation gibt sofort in sich zusammenbrechen.

  4. Das ist nur ein Begriff. Zensur bedeutet, dass es vom Staate ausgeht. Im Endeffekt ist es aber auch dasselbe, wenn es vom Volke ausgeht. Siehe “Krieg” in Afghanistan. Natürlich versuchen Politiker es nicht Krieg zu nennen, um besser dazustehen. Inhaltlich allerdings haben sie auch Recht, denn ein Krieg findet zwischen zwei souveränen Staaten statt.
    Es ändert aber nichts an der Situation, es sterben Menschen auf grausamste Weise.
    Genauso das Wort Zensur, wie man es nennt, es ist die gleiche Situation. Leute haben Angst ihre Meinung zu äußern und zensieren sich selbst.
    Dem Verlag ist die Minderheit egal, es geht um Verkaufszahlen. Die würden auch diskriminierende Worte benutzen, wenn es sich gut verkauft. Überhaupt sollte kein Verlage einfach drin rumfuschen.
    Mich stört übrigens auch bei Übersetzungen zu viel eigenes der Übersetzers, ich will in Monty Python keine billigen Kalauer des Übersetzers, wo im Original keine billigen Kalauer der Pythons waren.

    Die ganze Lösung ist einfach nicht praktikabel. Man müsste alle alten Texte neu aufsetzen. Selbst wenn man das tut, ändert man dann wieder alles, wenn “Schwarze” dann diskriminierend ist? (ist btw ein dummes Wort, da kein Mensch schwarz ist und wird dementsprechend dann in Zukunft als Zeichen von Rassismus gedeutet werden)
    Generell bin ich dafür Originaltexte niemals zu ändern, eben auch damit man den Unterschied zu heute erkennt.
    Ebenso Mein Kampf. Eine kommentierte Fassung finde ich in Ordnung, aber niemals sollte man darin rumstreichen oder das Buch verbieten (nein es ist nicht verboten, wie einige denken, aber es gibt genug Menschen, die es verbieten wollen) Gerade in dem Buch entdeckt man viel wie Hitler drauf war, vor allem wie er versucht seine Rassentheorie mit dem Sexualleben von Tieren zu rechtfertigen wäre unter anderen Umständen zum Tränen lachen.
    Es geht mir dabei erstens um den Autor, der die Hoheit über seinen Text haben sollte. Außerdem ist sowas immer erst der Anfang und mir wäre es lieber, wenn sich durchsetzt, dass man historische Quellen generell nicht ändert als dass dann jede Interessengruppe mal eben die Geschichte anpasst wie sie es für richtig hält. Einige Länder haben jetzt schon Massenmorde aus ihren Geschichtsbüchern gestrichen beispielsweise. Da sollte es eher ins Bewußtsein kommen, dass man nichts daran ändert.
    Eben auch weil man überhaupt so einen Überblick bekommt, wie Dinge früher anders waren. Siehe Mad Men. Da regen sich Feministinnen auf, dass in einer Serie, die in den 50ern spielt Frauen nicht wie heute dargestellt werden. Da frage ich mich: Wisst ihr überhaupt warum es euch gibt, liebe Feministinnen? Evtl genau wegen sowas vor 60 Jahren? Für mich wirkt bspw das viele trinken und rauchen vollkommen fremd, aber es gibt mir auch einen Einblick. Und als Nichtraucher werde ich sicher keinen bösen Brief schreiben, dass die Serie deswegen abgesetzt gehört.

    Das wäre auch die Frage an die Blogger, wie würdet ihr euch fühlen, wenn in 20 Jahren jemand eure Texte hervorholt und auf “Schwarze” zeigt und sagt, dass ihr Rassismus verbreitet?

  5. Auch wenn es ein blöder Satz ist, es wird vieles heißer gekocht als gegessen. Dass man “Neger, Neger, Schornsteinfeger” nicht umbenennen kann und man eine Negerpuppe nunmal Negerpuppe nennt, vielleicht gerade weil es auf eine frühere Herangehensweise verweisen soll, dass Christian Kracht natürlich von “barbusigen Negerweibern” schreiben muss, wenn er eine authentische Welt der Kolonialzeit in sein Buch zeichnen will, und so weiter, das sollte den meisten klar sein. Ebenso sollte es klar sein, dass man seine billige Fake-Rolex nicht vom “Neger am Strand” gekauft hat und Obama auch kein Dschungelkönig ist oder sich gar “deutsche Frauen” und “Negerblut” usw..
    Als vor ein paar Jahren von bestimmten Leuten gefordert wurde: Die Vernunft an die Macht! war das wohl mehr ein verzweifelter Versuch, irgendwas zu retten, wofon ich selbst nicht ganz weiß wo ich das “irgendwas” festmachen soll. Auch dass plötzlich Schirrmacher und Lorenz Jäger reiß aus nehmen von einem Feld, das mal von ihnen dirigiert wurde, spricht diese Sprache. Man kann nicht in eine öffentlich-rechtliche Sendung gehen, sich Schuhcreme ins Gesicht schmieren und dann wundern, dass man Gegenwind bekommt (für solche Leute wünsche mir sowieso Auspeitschen wegen aggressiver Dummheit). Es giebt keine Political Correctness, genauso wie es keine Political Incorrectness gibt. Es gibt nur Vernünftige, und solche, die ihrer nicht fähig sind. Wenn jemand wie Lorenz Jäger auf die PI-News Hetzer speit, ist das eine Aussage. Der Nahost-Konflikt beispielsweise hat das Pech, genau in diese Zeit fallen, in der diese neurotische Spaltung (Annahme) am stärksten ist. Die Möglichkeit sowohl Netanjahu als auch Abbas die Löffel lang zu ziehen gibt es nicht. Vergessen ist die Gründung der Hamas unter Akzeptanz eines Staates Israel. Eine Debattenkultur wie am Gaza-Steifen bei uns scheint näher als eine Debattenkultur wie bei uns im Gaza-Streifen.
    In diesem Sinne: http://www.ici-berlin.org/docu/spannungsuebung-1/

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