Versiebt, verkackt, verheiratet: Vom Leben nach dem Happy End – Leseprobe “67 Tage plus”

»Das Allerschlimmste am ganzen Schwangerwerdenwollen sind die Kinderwunschforen im Internet. Es ist, als hätte sich die Evolution was dabei gedacht, wenn sie Leute keine Kinder kriegen lässt«, sagte Roman. »Samen heißen dort ›Spermis‹, Sex heißt ›herzeln‹ und der Partner entweder ›Männe‹ oder ›Schatzi‹ oder ›der Meinige‹.
Die herzeln also pünktlich mit ihrem Männe zum vorgegebenen Zeitpunkt, ist auch ganz schön, aber irgendwie auch viel Druck, weil die Spermis ja an den richtigen Ort müssen, und so ist der Pieps vom Männe dann ned so gaaaaanz hart. Dann schreiben diese Spatzenhirne JEDES MAL einen Zwinkersmiley dahinter oder ein G mit Sternchen. Weißt du, was das heißt? Grins!
Warum schreiben die, dass ihr Mann keinen hochkriegt, und dann ›grins‹? Und wie kürzen die wohl Schwangerschaft ab? – Und die kürzen es übrigens IMMER ab, weil sie ja den ganzen Tag nur darüber reden und das Wort sonst tausendmal am Tag schreiben müssten. – Sie schreiben statt Schwangerschaft SS. SS!«
Manchmal saß Roman auf der Toilette und murmelte Eisprung – Eisprung – Eisprung, bis das Wort seine Bedeutung verlor und wie Bunga-Bunga-Party oder Omelette klang. Es konnte passieren, dass er, wenn er sich danach abwischte und etwas Blut am Klopapier hatte, für den Bruchteil einer Sekunde er-leichtert war.

Nachdem Roman seinem kleinen Bruder vorgelesen hatte und Paul endlich eingeschlafen war, schrieb er ihm einen Zettel: »Sollte es wider Erwarten nötig sein, dann komm zu uns. Nimm eine Zahnbürste mit!« Er legte den Zettel im Bad auf den Toilettensitz und fuhr ins Ministerium.

Roman konnte sich nicht auf die Akten konzentrieren. Mias Frauenärztin hatte dazu geraten, einen Experten für Kinderlosigkeit zurate zu ziehen. Roman und Mia waren jetzt also Patienten einer Kinderwunschklinik. Sie waren zunächst ausgiebig untersucht worden, gestern hatten sie ihre Testergebnisse präsentiert bekommen.
Im Wartezimmer einer Kinderwunschklinik zu sitzen erfordert eine gewisse innere Balance, über die Roman nicht jederzeit verfügt. (Übrigens war mein allererster Gedanke, als Mia erzählte, dass Roman und sie ein Kind wollten, der an eine Rundmail, in der Roman nach einem Besuch bei Bekannten über deren Baby geschrieben hatte: »Das Unbehagliche an Babypräsentationen ist bekanntlich, dass man niemals Kritik am Erscheinungsbild des Säugers äußern darf. ›Huch, das ist aber kein besonders gelungenes Exemplar‹ oder ›Ich dachte, die wären alle süß‹ sind Sätze, die den Druck der durch Gedanken an Überbevölkerung und Lärmbelästigung befangenen, ja beklemmenden Stimmung mindern könnten. Ich schlage den Sag-fremden-Babys-was-du-über-sie-denkst-Tag vor.« Er wäre nicht Roman gewesen, hätte er nicht aus Schusseligkeit die Mail auch gerade an diese Bekannten geschickt – wie kann jemand zugleich ein so voraus-schauender Planer und so ein gigantischer Trampel sein?)
Er hatte versucht, den anderen Paaren nicht in die Augen zu schauen. Wenn man ohne Verhütungsmittel ein Jahr lang (minus 67 Tage) miteinander geschlafen hat, ohne ein Kind zu zeugen, sprechen Mediziner von Unfruchtbarkeit.
Verdörrte Felder, Bäume ohne Triebe. Die Pflanzen im Wartezimmer hätten nicht grün sein dürfen. Durch das Glas des Aquariums starrte ihn ein blauer Fisch an. Er war etwa fünfmal so groß wie alle anderen Fische im Aquarium und der Einzige seiner Art. »Wir werden uns beide nicht fortpflanzen«, dachte Roman.
Die Ärztin hatte schon alles gesehen, wahrscheinlich hatte sie in jüngeren Jahren den General in einem Kubrick-Film gespielt. Ihre Taktik war, erst alle Hoffnung zu zerstören und die armen Hunde, die ihre Kunden waren, dann langsam ¬wieder anzufüttern. Am Ende würden sie alle bereitwillig Unsummen zahlen für die Aussicht auf ein Wunschkind.
An Romans Sperma lag es nicht, die Generalin ging die Werte kurz durch, nicht überragend, unterer Durchschnitt, aber damit könne man schon etwas anfangen. Roman hätte gern eine zweite Chance gehabt, er hatte sich beim Ejakulieren nicht in Form gefühlt. Er hatte beim Onanieren an seine türkische Exfreundin gedacht, hatte mit ihr gemacht, was er damals alles zu tun versäumt hatte, aber trotz der vier Tage Abstinenz zuvor waren es gerade einmal zwei Milliliter geworden. Mias Blutwerte waren auch gar nicht so schlecht. Das Thyroxin für die Schilddrüse hatte endlich gewirkt, die anderen Hormone schienen sich eingependelt zu haben. »Das sind ganz normale Werte für den dreizehnten Tag des Zyklus, schauen wir doch noch einmal nach.«
Nachdem Mia hinter einem kleinen Vorhang ihre Hose ausgezogen hatte, untersuchte die Generalin sie. Auf dem Bildschirm des Ultraschallgeräts sah man einen Follikel, der es auf 16 Millimeter brachte. »Hui«, sagte Roman.
»Ich würde Ihnen empfehlen, in den nächsten Tagen ihre Partnerschaft zu aktivieren«, sagte die Generalin. »Es könnte sein, dass Sie einen Eisprung haben werden.«
Auf der Rückfahrt war Mia ausgelassen wie ein kleines Kind. »Das ist ein echter Vorführeffekt«, sagte Roman. »Kaum gehen wir zum Arzt, springt das Ei!«
Mia klatschte in die Hände und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Jetzt müssen wir nur noch unsere Partnerschaft aktivieren!«
Roman löschte ein paar Sätze, die er in den Computer getippt hatte. Heute Abend würden sie die Partnerschaft aktivieren. Nach über 67 Tagen. Und dann würde Mia schwanger werden, und dann wäre er Vater. »Sie will keinen Sex, aber ein Kind, ich will kein Kind, aber Sex«, dachte er. »Nur nicht dieses Jahr.« Er starrte auf die Eingabemarkierung. Dann klickte er »Löschen widerrufen«, las die Sätze noch einmal durch und löschte sie endgültig.

Als er am Abend nach Hause kam, lief Stan Getz. Aktivierungsmusik. Er rief ihren Namen, legte seine Tasche ab und ging ins Schlafzimmer.
Mia lag auf dem Bett, nackt bis auf halterlose Strümpfe. Auf dem Nachttisch lag ein Vibrator von einschüchternder Größe, daneben stand ein Fläsch-chen mit Massageöl. Sie hatte die Initiative ergriffen.
Roman zog seinen Mantel aus.
Wenn ein Paar 67 Tage nicht mehr miteinander geschlafen und dabei die ganze Zeit miteinander verbracht hat, dann merkt es, dass Sex nicht wie Radfahren ist. Roman setzte sich auf die Bettkante und streichelte über die Strümpfe, Mia lächelte und lächelte und hörte gar nicht auf zu lächeln. »Komm, zieh dich aus«, sagte sie.
Roman knöpfte sein Hemd auf, hängte es über den Stuhl, legte seine Hose dazu, streifte die Unterhose ab und setzte sich wieder auf die Bettkante. »Ich liebe dich«, sagte er.
Dann klingelte es Sturm.

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7 comments

  1. Das ganze klingt ein wenig herablassend und jedes Online-Forum gibt genügend Teilnehmer her, bei denen man sich fragt, ob die sich fortpflanzen sollten oder nicht.

    Zwischen den Zeilen wird auch irgendwie das Klischee beschworen, dass sich ja nur die Frauen das Kind so sehr wünschen. Während sich die Männer quasi durch psychosomatische Unfruchtbarkeit dem Kinderwunsch entziehen, ohne sagen zu wollen, dass sie gar kein Kind wollen.

    Kenne es aus anderer Perspektive. Meine Frau und ich hatten einst nicht mit dem Primärziel der Vermehrung geheiratet, aber irgendwann hatten wir ihn dann (beide), den Kinderwunsch. Erstaunlich, wie stark dieses Gefühl sein kann.

    Also Schluss mit Verhütung, horrido, wir legten es drauf an! Aber es dauerte ein paar Monate / Zyklen, bis es klappte. Und es war schon sehr irritierend, wie schnell aus dem bis dahin einfach nur großartigen Sex in nur wenigen Wochen eine Pflichtübung wurde und man wortwörtlich die Lust auf die Lust verlor. Und wie schnell der Zweifel an einem nagt, ob man nicht vielleicht doch medizinische Probleme haben könnte. (Hatten wir nicht, inzwischen ist schon das zweite Kind da.)

    Freunde von uns hatten schon vor vielen Jahren erzählt, dass sie sich Kinder wünschen, aber dann kam einfach keins. Nur um dann nach mehreren Jahren (!) der erfolglosen Versuche und nach diversen Arztbesuchen und geplatzten Hoffnungsschimmern endgültig festzustellen, dass sie tatsächlich unfruchtbar sind. Inzwischen haben sie Kinder adoptiert.

    Wenn ich nur darüber nachdenke, wie sehr diese wenigen Monate des Wartens und Zweifelns an mir nagten, habe ich die allergrößte Hochachtung vor Leuten, die das über Jahre aushalten müssen. Dass man in diesem Zustand dann in Foren mal Quatsch schreibt ist nur allzu verständlich.

  2. Natürlich ist das grauenhaft. Die beiden leiden im Verlauf des Buchs auch schon noch genug, keine Sorge.
    Aber hinter dem Problem der beiden steckt eben noch ein anderes.
    Und wenn Roman sich zu Beginn lustig macht, dann fällt das ja durchaus auf ihn zurück, wenn er selber das Gefühl hat, zur Befruchtung schreiten zu müssen.

  3. Es wirkt wie eine Metaaussage in einem Roman eine Figur Roman zu nennen…

  4. Hi Malte,
    wollte gerade das Buch auf meinen Kindle shoppen. Mein Kindle ist allerdings mit Amazon-US verbunden und dort gibt es das Buch nicht! NOCH nicht? Oder hat das einen Grund?

    Danke
    Thomas

  5. Hallo Thomas, ich habe beim Verlag nachgefragt, aber bis jetzt hat noch niemand eine Lösung gefunden.
    Ich halte dich auf dem Laufenden.

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