Was woll’n wir trinken?

Dieter Dehm, Bundestagsabgeordneter aus Niedersachsen und Mitglied der Linkspartei, fragte gestern den Interviewer vom ZDF: “Was würden Sie denn machen, hätten Sie die Wahl zwischen Stalin und Hitler?”
Wer in diesem Bild Hitler und wer Stalin sein sollte, ließ Dehm offen und so lasse ich den Unsinn auch einfach mal so im Raum stehen.
Dehm erinnerte mich aber wieder daran, dass ich mich vor kurzem mit meinem Freund Kowalski darüber unterhalten habe, warum es einen bei der Linkspartei immer schüttelt. Er erzählte von Wolf Biermann, den er über ein paar Ecken kennt und der völlig aus der Haut fährt, wenn es um die Linkspartei geht. Die Linkspartei versucht mit zunehmendem Erfolg, den Wählern einzureden, so etwas wie die DDR in gut könne man jederzeit machen. Da gerade ehemalige DDR-Bürger, die den ostdeutschen Satellitenstaat (man könnte wegen Lena gerade denken, wir seien auch ein Satellitenstaat, aber ich meine die klassische Definition) nur als Kinder erlebt haben, dazu neigen, von den guten Seiten der DDR zu erzählen, rennt die Linke mit diesem Quatsch gerade in Berlin offene Türen ein.
Nun ist aber der Unterschied zwischen einem Stein und einem System, dass man bei einem Stein ein Stück wegnehmen kann – er bleibt immer noch ein Stein. Ändert man aber ein System, wird ein anderes System daraus.
Denkt man sich aus der DDR die Mauer, den Schießbefehl und die Stasi weg, dann hat man nicht einen Staat mit Ausbildungsplatzgarantie, tollen Jugendprojekten und erfolgreichen Sportlern, man hat ein entvölkertes Land.
Es sei denn, man hätte die andauernde Indoktrinierung, die Staatspropaganda und den faktischen Ein-Parteienstaat auch gleich mit abgeschafft, das freie Unternehmertum erlaubt, Konzerne, Werbung für marktorientierte Konsumprodukte und Börsenspekulation zugelassen, dann wären die Leute vielleicht geblieben. Nur: dann wäre die DDR eben kein sozialistischer Staat mehr gewesen.
Die DDR war nicht Abirrung des Kommunismus, sondern seine logische Konsequenz mit all dem Irrsinn, der sich daraus ergibt. Wenn die Linkspartei sich heute in semantische Spielchen um die Frage begibt, ob die DDR ein Unrechtsstaat war oder einfach nur “kein Rechtsstaat”, dann lenkt das von dem eigentlichen Problem der Linkspartei ab: Die DDR hätte kein Rechtsstaat sein können.
Dieter Dehm hat übrigens das Lied “Was woll’n wir trinken?” umgetextet.

Er hat es mit Günter Wallraff zusammen bearbeitet, unterstützt wurden die beiden von Wolf Biermann. Einer eidesstattlichen Erklärung Biermanns zufolge hat Dehm ihm 1988 gestanden, für die Stasi als IM gearbeitet zu haben. Im tollen, neuen, echten Kommunismus nach Lesart der Linkspartei hätte Dehm das mit Sicherheit nicht tun müssen, aber dass Biermann da skeptisch ist, kann man vielleicht verstehen, ob man nun Stalin oder Hitler heißt.

15 Kommentare

  1. Tweets that mention Was woll’n wir trinken? « Malte Welding -- Topsy.com sagt:

    [...] This post was mentioned on Twitter by Malte Welding. Malte Welding said: http://www.malte-welding.com/2010/07/01/was-wolln-wir-trinken/ über die linkspartei #hitler #stalin #dehm [...]

  2. robert sagt:

    Genauso wie es Unsinn ist zu sagen, dass nicht alles schlecht war “damals”(tm) ist es vollkommener Blödsinn zu behaupten, dass die Linke heute mehrheitlich dafür ist die DDR “in gut” wieder auferstehen zu lassen.

    Der Vergleich, den Dehm da gezogen hat, ist unmöglich und wird zu Recht als solches bezeichnet. Trotzdem vermischt Du in dem Text für meinen Geschmack zu viele Dinge. Ich gehöre zu den von Dir erwähnten ehemaligen DDR Bürgern, die den Außenposten der UdSSR nur als Kind mitbekamen (ich war 9 zur Zeit der Wende), bin heute jedoch froh über die potentielle Freiheit, die mir ein System garantiert, das eben nicht der DDR gleicht. Trotzdem gestehe ich mir zu mit objektivem Abstand sowohl im System der DDR mit der systematischen, paranoiden Bespitzelung und Einsperrung der eigenen Bürger als auch im kapitalistisch geprägtem neoliberalen System der heutigen BRD Dinge auszumachen, die mir nicht gefallen.

    Und einer Partei, die heute die gleichen Mißstände erkennt und diese zur Sprache bringt, der gestehe ich es zunächst einmal zu, ohne dümmliche Stasi/SED-Vergleiche angehört zu werden. Das gebietet, ganz ohne DDR-Geschwurbel und ideologischem Rumgeblende, einfach der normale Umgang mit Menschen, wenn nicht schon die demokratische Höflichkeit. Dabei muss, und das will ich Dir gar nicht absprechen, auch immer erlaubt sein, Leute wie Dehm für dumme Aussagen wie die obige, abzustrafen.

    Allerdings dann daraus Sippenhaft für eine ganze Partei zu machen, halte ich für falsch. Und gerade Deine Aussage, dass die Linke den Wählern versuche einzureden, dass die DDR “in gut” möglich wäre, halte ich für falsch. Das sehe ich in dem Programm der Linken nicht und ich bin mir sicher, dass dies ganz klar nicht ihr Ziel ist. Abgesehen davon, dass, nur weil Du es hier andeutest, auch noch nicht bewiesen ist, dass eine DDR “in gut” nicht funktionieren könnte ;), ist das eine Unterstellung, die keinen Halt in der offiziellen Parteilinie findet.

    Vielleicht sollte ich dazu sagen, dass ich kein Wähler der Linken bin (kommt gerade ein wenig so rüber), es aber grundsätzlich für falsch halte, in den Modus der “Hexenjagd” zu fallen, nur weil die Vergangenheit der DDR keine gute war und die Linke mal die PDS war.

  3. David sagt:

    Ich glaube ja, im derzeitigen Klima braucht es noch ca. 30-40 Jahre, bis die Linke mal politische Inhalte vertreten kann, ohne dass ihr von allen Seiten fröhlich bescheinigt wird, sie wolle ja eigentlich bloß totalitären Staatssozialismus durchzusetzen und deswegen müssen man ganz viel Angst haben und könne bei jeder Wortmeldung eines linken Parlamentariers nur betroffen mit den Augen rollen, weil man ja bereits weiß, was die eigentlich wollen…

    Dehm ist nicht die Linke. Dehm ist ‘n Spinner.

  4. Malte sagt:

    @robert
    Es klingt, als lägen wir bei dem Unbehagen, was die derzeitige politische Lage angeht, nicht weit auseinander.
    Aber alte Rezepturen bringen uns da wohl nicht weiter und die sehe ich in der Linkspartei durchaus
    und gerichtet @David frage ich mich, wie ich als Wähler eigentlich immer so genau auseinanderhalten soll, wer jetzt stellvertretend für die Partei spricht und wer nur ein Spinner ist. Bei den Piraten, für die ich durchaus verschwommene Sympathien hege, kann ich das auch nicht auseinanderhalten. Ist also ein Landtagsabgeordneter nicht ernstzunehmen und Sarah Wagenknecht auch nicht, aber Oskar Lafontaine schon?

  5. robert sagt:

    Malte, auch wenn die Frage nicht direkt an mich gerichtet war: Jeder, der in seiner Funktion als Parteimitglied öffentlich irgendetwas äußert ist für mich erstmal ernstzunehmen. Darum sind ja Dehms Aussagen so dumm – weil sie wieder einmal denen Futter geben, die die Linke sowieso nicht ernst nehmen. Aber das hat David ja gar nicht geschrieben. Es ging ja eher um die Art und Weise, wie jede Wortmeldung und jeder Redebeitrag eines Mitglieds der Linken z.B. im Plenum des Bundestages von vornherein abgetan wird… “das sind ja eh nur die Linken”.

    Ich denke auch, dass wir in Sachen Unbehagen nicht weit auseinander sind nach allem, was ich hier so lese ;) – und nein, ich sehe bei der Linken auch keine gangbaren Alternativen. Sonst hätten sie ja meine Stimme.

    Aber ich bin ja schon dankbar, wenn man sie in ihrer momentan Rolle als Mahner einfach mal ernst nehmen würde. Mehr erwarte ich ja gar nicht. Aber das mindestens.

    Und ob man nun Sarah Wagenknecht mag oder Oskar Lafontaine doof findet: Einen gerechtfertigten Grund für ihre Beschwerden haben sie allemal. Ob man dann ihrer politischen Linie folgt, wie man die Probleme lösen will, ist ja eine ganz andere Diskussion.

  6. David sagt:

    @ Malte

    Das kann man nicht auseinanderhalten. Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass solange Spinner wie Dehm bei der Linken noch große Bundespolitik betreiben dürfen, die Partei nicht wählbar ist. Individuelle Entscheidung.

    Ich habe nur immer ein Problem damit, wenn die Äußerungen einzelner DDR-Bewunderer als programmatischer Bestandteil der Partei aufgefasst werden.

    In der CDU waren lange einige Altnazis unterwegs, ein gewisser Herr Filbinger zum Beispiel. War die CDU nun eine Nazi-Partei? Eher nicht.

    Das Dumme an der Dehm-Sache ist die Gleichzeitigkeit der Ereignisse. Was ist da überhaupt gestern Unerhörtes passiert?

    Es standen zwei Kandidaten zur Wahl, die Linke fand’ offensichtlich beide doof und hat keinen von beiden gewählt. Wie empörend.

    Wie ist die mediale Mainstreambetrachtung?
    Die Linke ist ein Sammelbecken für Ex-Stasi-Leute und DDR-Bewunderer, Gauck hat die Mauer eingerissen. Deshalb können die DDR-Bewunderer den nicht wählen, sie sind Ewiggestrige. Nur eine Wahl Gaucks hätte an diesem Ursache-Wirkungs-Zusammenhang rütteln können. Grandiose Logik.

    Da trägt ein Herr Dehm natürlich dazu bei, diese Mainstreambetrachtung noch ordentlich zu befeuern.

  7. der herr schroeder sagt:

    Nun, wenn Sie ein Sekündchen Filmmaterial hätten, in dem Biermann mal nicht aus der Haut fährt, bitte melden!

    Dieser Stalin/Hitler-Vergleich ist natürlich äußerst dämlich. Sollte man nicht überbewerten. Tauscht man es um in Pest & Cholera, kommt es wieder hin.

    Der poetische Vergleich von Ihnen, dieses mit dem Unterschied zwischen einem Stein und dem System hingegen, der macht mir mehr Kopfzerbrechen. Wie ich es drehe und wende, ich verstehe es nicht.

    Also, Sie nehmen von einem Stein ein Stück weg. Das kann man machen, das verstehe ich. Ich verstehe auch, dass er immer noch Stein bleibt. Jetzt frage ich mich aber, warum Sie bei dem Stein ein Stück „wegnehmen“, damit er noch Stein bleibt, das System jedoch „ändern“, dann wird natürlich ein anderes System daraus. Nehmen Sie doch vom System auch ein Stück weg und fügen meinetwegen ein Stück hinzu. Dann ist es vielleicht nicht mehr das selbe System, würde aber immer noch das gleiche System bleiben, vielleicht.

  8. Thomas Benle sagt:

    @der herr schroeder: Der Vergleich mit dem Stein (bzw. – je nach Betrachter – dem System) ist mir auch gleich sauer aufgestoßen. Der macht bei näherer Betrachtung nämlich keinen Sinn, auch wenn natürlich klar ist, was Malte damit ausdrücken möchte. Na ja, etwa jedenfalls. Aber: Es ist so schwer zu erklären. Seufz…

  9. Thomas sagt:

    Malte, ich wäre wirklich froh wenn es mehr Leute wie dich gäbe, oder wenn ich wenigstens mehr davon kennen würde. Leute, die verstehen, dass sich ein System ähnlich einer mathematischen Gleichung komplett verändern kann wenn man ein Stück wegnimmt, weil dieses Stück vielleicht eine bestimmte Funktion erfüllte, von der andere Teile des Systems vielleicht abhängig waren, und von diesen Teilen wieder andere Teile usw..

    Im Gegensatz zu einigen Kommentaren hier finde ich nicht, dass du die Linke wegen eines absurden Kommentars in Sippenhaft nimmst, sondern ich vermute dass es dir geht wie mir: Fast egal wer sich von der Linkspartei äußert, es rollen sich die Zähennägel hoch und daraus formt sich dann ein Bild. Ich bin immer aufgeschlossen für Argumente, Diskussionen und Austausch, gerade auch wenn es andere Standpunkte als der meine sind (das heißt ja Austausch). Bei Politikern der Linkspartei (und einigen anderen) will mir das jedoch nicht gelingen, ihre Argumente überzeugen mich nicht, sie wirken immer als wären sie nicht zu Ende gedacht und ich wundere mich, warum ihnen das nicht auffällt.

  10. Thomas sagt:

    Und noch was: wenn vermutlich keiner oder kaum einer der 123 Wahlleute der Linken für Gauck gestimmt hat, gibt das schon ein Gesamtbild der Partei ab, mehr als ein einzelner Kommentar, und daraus kann man dann auch seine Schlüsse ziehen. Ich für meinen Teil lerne daraus, dass Linke nicht über ihren Schatten springen können ;-)

  11. 500beine sagt:

    die DDR war scheiße, die linke ist scheiße.
    fertig, aus.

  12. 600hände sagt:

    genau..alle Kommies in den Knast!
    Argumente braucht ein Bürgersöhnchen nicht.

  13. Hannes sagt:

    @David!
    Warum bringen Sie diesen unsäglichen Quatsch noch einmal.
    In der LINKE/SED/PDS/KPD sind erheblich mehr Nazis untergekommen als bei der CDU!
    Die DDR-Volksarmee ist von Nazi-Generälen wie Müller aufgebaut worden.
    Können Sie zählen? Beachten Sie bitte, dass Österreich 7 Mill., die DDR 17 Mill. und die Alt-BRD 62 Mill. Einwohner hatten!
    Dann bitte:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_ehemaliger_NSDAP-Mitglieder,_die_nach_Mai_1945_politisch_t%C3%A4tig_waren#Deutsche_Demokratische_Republik_.28bzw._Sowjetische_Besatzungszone.29

  14. Hannes sagt:

    Und zur LINKE noch ihr neuer Bündnispartner

    http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2010/06/28/wer-so-alles-gegen-synagogen-in-deutschland-aktiv-ist_3745

    http://npd-blog.info/2010/06/17/apfel-npd-israel-200/

  15. der herr schroeder sagt:

    Wenn jeder hier verlinken darf, was ihm so in den Sinn fällt, probiere ich das auch mal, wenn Sie gestatten – nebenbei ist es sogar lesenswert:

    http://www.spiegelfechter.com/wordpress/3445/perspektiven-zur-perspektivlosigkeit#more-3445

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