Geheimnisse

Mein Sportstudio, das nach der Insolvenz zu einer anderen Kette gehört, bietet Trainingseinheiten mit Personal Trainern an. Flyer, die auf den Tischchen im Loungebereich, an der Energieriegelausgabe und an der Rezeption ausliegen, geben Auskunft über die mannigfaltigen Möglichkeiten, die so ein Personal Trainer bietet. Auf der letzten Seite der Broschüre wird man aufgefordert, ehrlich zu sein. Auf einer Skala zwischen eins und zehn soll man die Zufriedenheit mit seinem Körper beurteilen, seine Wünsche und Sehnsüchte notieren. Es ist ein ordentlich gemachtes Stück Werbung, auf dem eine Kleinigkeit fehlt: Der Preis für das Training ist nirgendwo zu finden.
Nun konnte man schon auf der Homepage des ehemals anders heißenden Studios nirgendwo einen Preis finden und man konnte auch damals nicht einfach anrufen und fragen, was es denn monatlich kostet, Kunde dieses Sportstudios zu werden.
Der Preis war ein Geheimnis, den man erst im Rahmen eines Gesprächs mit einem für die Weitergabe von Preisinformationen ausgebildeten und qualifizierten Mitarbeiters in Anzug und Krawatte erfahren durfte. Der Preis entpuppte sich als derart komplex gestaffelt, dass ich bis heute nicht weiß, wieviel ich bezahle und nur alle paar Monate, wenn ich den Preis auf einem Kontoauszug sehe, kurz erstaunt bin, dass ich immer noch für einen Flughafen oder ein kleines afrikanisches Land (nichts Extravagentes, bloß ein paar Löwen, Elefanten und Folkloreabende mit Hexenverbrennungen) Miete zahle.
Ich ahnte also, was nun kommen würde.
Trotzdem ging ich zur Rezeption und fragte eine Dame in Bluse, also der dritthöchsten Kompetenzstufe zugehörig (das Sportstudio ist hierarchisch nach dem Vorbild der katholischen Kirche aufgebaut: Die mit einem Shirt, auf dem der Name der Kette prangt, dürfen Hallo sagen und müssen sich die Namen der Gäste merken, die mit einem Shirt, auf dem Trainer steht, dürfen einem helfen, wenn man mit einer Hantel verunglückt ist, die in Hemden dürfen in der Regel weiterleiten an die in Anzug und Krawatte und die, die man als Laie niemals sieht, dürfen Heimkinder verprügeln und bei Maischberger rumsitzen und Moral predigen), was denn so eine Stunde mit einem Trainer koste.
Das sei etwas kompliziert, sagte die Dame, aber sie würde mir gern eine kostenlose Stunde mit einem Trainer vermitteln. In deren Rahmen würde ich dann, nachdem ich meine Wünsche mitgeteilt habe, einen auf meine Bedürfnisse abgestimmten Preis erfahren. “Ist der Preis ein Geheimnis?”, fragte ich.
“Nein, natürlich nicht”, antwortete die Dame und lächelte unglücklich. “Wir schenken Ihnen gerne eine kostenlose Stunde mit einem unserer Trainer.” Kurz stutzte ich und zollte dem Umstand Respekt, dass die Robotertechnik, von mir ganz unbemerkt, so sagenhafte Fortschritte gemacht hatte. Ich hatte sie zunächst wirklich für einen Menschen gehalten. Meine Freundin versuchte nun, die Unbeseelte zu einer vagen Angabe zu verleiten. “Liegt das denn eher bei dreißig oder bei dreihundert Euro?” Die geschmeidige Droidin bewegte ihre Schultern auf Ohrenhöhe und sagte, wir könnten gern eine kostenlose Stunde nehmen und dann ein Gespräch über die Preisgestaltung suchen.
“Es ist also doch ein Geheimnis”, sagte ich. “Nein, natürlich nicht”, antwortete die Plastikhaut.
Wir gingen dann. Es gibt diese Geheimnisse, nicht alles ist transparent. Wie die deutsche Nationalmannschaft zusammengesetzt wird, das ist streng den Gesetzen der Castingshows unterworfen. Jeder kann, wie bei Heidi Klum, jederzeit kein Foto bekommen, auch wenn er in der Vorwoche noch eine ganz gute Figur mit Känguruhoden im Gesicht gemacht hat. Jede neue Nominierung, jeder Rauswurf, ist ein unentwirrbares Geheimnis, nur gelüftet, wenn es gar nicht anders geht. Am liebsten würde Löw die Spieler mit nummernlosen Trikots, am besten gar in Burkas spielen lassen, dann wüsste niemand mehr, wer spielt, noch besser wäre nur, wenn die Spieler selbst nicht wüssten, ob sie gerade auf dem Platz stehen oder im Supermarkt. Was die erste Halbzeit gegen Bosnien allerdings erklären würde.
Ebenso wie Löw und mein Studio verfährt die Kanzlerin. Wie wird man Bundespräsident? Das ist ein Geheimnis.

8 comments

  1. Ah, auch FitCom, bzw. Fitness First? Ich vermute ja immer noch, dass diese Cruise-Kirche hinter diesem System steckt. Wenigstens etwas, was die mit der katholischen Kirche, dem DFB und der Kanzlerin nicht gemein haben.
    Wobei.

  2. Nein, das ist Holmes Place, vorher war es Elixia.

  3. Matthias Schumacher

    Diese Fitnessstudiorotation scheint total angesagt zu sein. Mein Kieser ist demnächst McFit, was das Durchschnittsalter der Kundschaft um gefühlte 30 Jahre nach unten drücken wird, auch werden die Halb- und Vollglatzen dichten dunkelhaarigen Kurzhaarfrisuren weichen. Mir kann es nur recht sein;) Erstaunlicherweise ist McFit extrem transparent in puncto Preis/Leistung. Wenig Geld für wenig Service. Hat Dich das Internet denn inzwischen schon schlauer gemacht?

  4. Ich kann dir zumindest verraten wie man nicht Bundespräsident wird – indem man vorher als “heißer Kandidat” oder “mögliche Anwärterin” gehandelt wird. Gott sei Dank, möchte man sagen .)

  5. gut geschrieben, schön zu lesen :). irgendwann muss ich auch mal in so ein fitness studio!

  6. Das System scheint weltweit zu existieren. In Südafrika ging es mir ähnlich. Einfache Fragen zum Preis können nicht beantwortet werden. Ich meine, Rabattstaffelungen je nach Vertragsdauer sind doch nicht wirklich kompliziert.

    Ich war allerdings fassungslos, dass ich zum Preisgespräch ersteinmal ein Formular zum Betreten des Studios ausfüllen sollte. Lol.

    Die wollen keine Kunden, die nach dem Preis schauen ;)

  7. Wenig Geld für wenig Service. Hat Dich das Internet denn inzwischen schon schlauer gemacht?
    ***

    Ich hab schon einige Clubs durch (Holmes Place, HealthCity, Karstadt Fitness,…) – einen besseren Service + hilfbereitere Trainer (Kompetent wirkten Sie auch – kann ich aber letztlich schlecht beurteilen) hatte ich bisher nirgends. Klar: Publikum ist wesentlich breiter gefächert als bei Holmes Place – dafür aber auch unschlagbar günstig + rund um die Uhr offen.

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