Kein Problem. Eine kleine Korrektur nur, sagt die Lektorin, hier noch einen Übergang machen, da ein bisschen kürzen, dort das Thema von oben noch einmal aufnehmen.
Ich setze mich sofort dran, gerade noch einen Kaffee, in der Küche macht die Katze ein seltsames Geräusch und ich versuche herauszukommen, was es bedeutet. Es gibt tatsächlich keine Seite im Netz, die zuverlässig Katzenzirpen übersetzt. Ich erinnere mich, dass ich ihr genau an dieser Stelle, wo sie das Geräusch gemacht hat, einmal Hairballs gegeben habe und gehe rasch welche einkaufen, beim Spaziergang kommen ja sowieso die besten Einfälle. Sonnenschein, frische Luft, jetzt weiß ich sogar, wie ich diesen Übergang machen muss, bloß Worte dafür fehlen mir noch, ich könnte mit einer Konjunktion beginnen. Ich lege die Hairballs auf das Band und frage die Kassiererin, warum man nicht ein Wellness-Geräusch anstelle des nervenzerfetzenden Piepens der Scannerkasse gemacht hätte und wie sie das eigentlich aushalte. Sie sagt, an der Wellness der Mitarbeiter sei die Geschäftsleitung nicht interssiert, aber es gehe schon, sie höre das beinahe nicht mehr, nur Nachts töne es halt etwas nach.
Mit “nur” könnte ich den Übergang auch einleiten. Ich verehre die Hairballs der Katze und erinnere mich, lange nichts mehr von Kowalski gehört zu haben, außer den Geräuschen, die aus seiner Wohnung dringen. Ich klopfe an seiner Tür, er brüllt “Who’s there?”, ich sage “Ich”, er schreit “Wait a second!” und öffnet nach fünf Minuten, während denen hauptsächlich die Klospülung röhrt, die Tür.
“Immer noch Angst vor der GEZ?”, frage ich, denn das mit dem Englischreden ist ein alter GEZ-Trick Kowalskis, aber er möchte das allgemeiner verstanden wissen. “Du musst immer Druck aufbauen, darum geht es, immer Druck!”
Die Wohnung sieht aus, als habe Kowalski einen schwedischen Gang-Bang-Film mit einem Rudel Koffer nachgespielt. Er erzählt einige Anekdoten, die unveröffenlichbar sind. Herzstillstände, Prügeleien und Diebstähle kommen am Rande vor. “Und was macht dein Buch?”
Stimmt ja. “Nur noch eine kleine Korrektur hier und da”, antworte ich wahrheitsgemäß und lasse mir noch einmal die Sache mit dem Frosch erzählen. Wahnsinn.
Im Internet ist heute fast nichts los, schon beim zweiten Drüberlesen wird klar, dass dort hauptsächlich Idioten schreiben.
Auf reddit blödelt ein User “When you’re hit by a jug in a New Zealand pub, that’s a Maori” und ich beschließe, zur Apotheke zu gehen, vielleicht geht es mir dann besser. Ich bestelle eine Packung sprudelnde Aspirin und die Apothekerin hält mir zwei Packungen hin, eine Original und eine mit kyrillischen Schriftzeichen, ein Re-Import aus dem Ausland, sagt sie, zwei Euro billiger. Ich frage, ob das ein verlässlicher Teil des Auslandes sei und sie hat zwar keine Ahnung, aus welcher untergegangenen Sowjetrepublik diese lächerliche Fälschung stammt, aber sie nickt vertrauenerweckend oder hat Parkinson und weil sie so angestrengt wirkt, lasse ich mir jetzt einmal genau erklären, wie das mit den Re-Importen so geht. Nach fünf Minuten tue ich so, als hätte ich die Verzweigungen des Gesundheitssystems durchschaut, mache einen mittelguten Rösler-Witz, über den sie anstandshalber wenigstens mal hätte lächeln können und frage, ob sie eigentlich mehr Umsatz mit Medikamenten oder mit Wellness-Produkten mache. Sie steht umzingelt von Aloe-Vera-Gesichtsmasken, Totes-Meer-Hautsalben und Salbeipastillen vor einer Werbetafel von Deutschlands führendem Vertrieb für ganzheitliche Sensitivzonenmassagegeräte und sagt tapfer: “Schon mit Medikamenten.” “Mit oder ohne Vitaminpräparate?” “Das kann ich so nicht sagen, aber mit den Medikamenten ist es so, dass (…)” Sie rechnet mir jetzt vor, wie der Höchstsatz eines Krebsmittels sich zur Quadratwurzel des Basisregelsatzes einer Diagnoseapparatur für den Do-it-yourself-orientierten Diabetiker verhält und ich klatsche irgendwann in die Hände, verweise auf die sich im hinteren Bereich schon aus der Tür herauswindende Schlange und freue mich auf mein Aspirin.
Ich löse mir gleich zwei Tabletten auf und versuche jetzt mal, den Film mit dem viagrafarbenen Außerirdischen zu schauen. Ob sich wohl viele Leute auf die blauhäutige Pocahontas einen runtergeholt haben? Ich habe definitiv schon Krankeres gesehen. Als dann aber gegen Ende der Planet selber sich gegen die Angreifer wehrt, kommt mir das Netz mit seinen japanischen Heidi-Pornos, Sodomie-Schnipseln und myspass.de gar nicht mehr so gestört vor.
Meine Freundin schickt mir aus der Uni Erkenntnisse der Bindungsforschung zu: “Die Logik einer Kontinuität in reiner Form ist in der längsschnittlichen Bindungsforschung ebensowenig haltbar wie die Logik neuer Entwicklungen ohne Bezug zur Vergangenheit.” Warum tut sie das? Achja, das Buch. Ich öffne den Laptop und da stehen nun also diese Buchstaben. Interessant. Ich schreibe ein paar hervorragende Zeilen, aber leider gibt die deutsche Sprache nicht genug her und bei enger Auslegung der Grammatik ist das hier Geschriebene auch leider keiner anerkannten Weltsprache angehörig.
Ich entdecke das Star Wars Holiday Special.
Also gehe ich ins Café, da fällt mir ja immer eine Menge ein. Ich laufe dort einer befreundeten Journalistin in die Arme, die mir eine herzzerreißende Bumsgeschichte erzählt. Ich sage: “Die Logik einer Kontinuität in reiner Form ist in der längsschnittlichen Bindungsforschung ebensowenig haltbar wie die Logik neuer Entwicklungen ohne Bezug zur Vergangenheit.” Sie umarmt mich sehr herzlich. Ich habe ihr den Tag gerettet. Nun muss ich bloß noch diese Winzigkeit hier korrigieren, aber jetzt verwickelt mich der lokale Dealer in ein Gespräch über den Nahostkonflikt. Ich schlage vor, eine internationale Kommission zu gründen, in deren Vorstand der Papst, der Dalai Lama und die Drehbuchautoren von South Park nach einer Lösung suchen. Sie müssen bloß versprechen, derweil ihre eigentliche Tätigkeit ruhen zu lassen. Der Dealer fragt nun, ob ich etwas bräuchte und ich zeige ihm mein Problem. “Lösch doch einfach den letzten Absatz, der davor ist ein viel besseres Ende. Dann hast du sogar das Thema von oben wieder drin und das Ganze ist nicht so länglich.”
Ich tappse ihm unbeholfen ans Knie, schließe die Augen, bin nach dem Augenöffnen immer noch da, kaufe ihm einen Sack Drogen ab, den ich dem nächstbesten Motzverkäufer in die Hand drücke und hüpfe nach Hause.
Kein Problem.
Hatte ich dir eigentlich gesagt das ich deine Texte liebe? Wenn nicht: Ich liebe deine Texte.
Ehrlich? Ich freue mich sehr auf die Post-Buch-Ära im Blog.
Wunderbar. Kennt sich Dein Dealer auch mit jQuery aus? Hätte da auch so kein Problem.
@Timo
Abgesehen davon, dass er meiner Fantasie entspringt, ist er vermutlich unfehlbar:)
da hast Du im letzten absatz aber nochmal die kurve gekriegt. ich war schon fast so weit mir zu sagen “schon wieder ohne drogen”.
und jede anständige apotheke hat salbeipastillen als quengelware im angebot. gäbe es darüber ein studie für fliessgewässer, würde sie feststellen, dass die bonbons orographisch gesehen hauptsächlich in der rechten hälfte links in der hauptströmung in der apotheke zu finden sind. da, wo jeder vorbei schwimmt.
Das Buch ist also fertig? *hypervenitilier* ^^