Jeschua wurde um das Jahr 750 ab urbe condita geboren. Seine Mutter war eine warmherzige Glucke, etwas naiv, aber stets drauf bedacht, dass es dem kleinen Jeschua an nichts fehlte. Die Ehe mit ihrem viel älteren Mann war kalt, aber sie beschwerte sich nicht, denn sie hatte ja ihren Augenstern, den sie anbeten konnte. Sie mochte gar nicht aufhören, ihn zu stillen, erst als er vier Jahre alt war, musste sie ihn von der Brust verstoßen, weil sie wieder schwanger geworden war. Obwohl sie doch ihren Mann, den sie vor Jeschua manchmal „den alten Trottel” nannte, immer bat, bitte aufzupassen.
Jeschua war ein gutmütiges Kind, aber er litt schrecklich darunter, dass ihm nicht mehr die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Mutter zuteil wurde. Er bemühte sich jetzt mehr um seinen Vater, machte sogar ein paar Ansätze, ihm in der Werkstatt zu helfen, aber der Vater blieb ihm immer fremd.
Jeschua hatte jedoch den scharfen Verstand seines Vaters geerbt und lernte sehr früh lesen und verschlang von da an religiöse Schriften. Es gab halt nichts anderes zu lesen. Mit den Jahren beschränkte er sich nicht mehr darauf, nur zu lesen, er dachte nun auch nach. Und ihm fiel auf, dass das alles Unfug war. Der, der das alles geschaffen hatte, den wundervollen See, der sie alle mit Fisch versorgte, die Schafe, die ihnen Milch gaben, ja sogar das Himmelsgewölbe und den Sonnenschein – der sollte ein kleingeistiger Krämer sein, jemand, dem man seine Vorhaut opfern musste und den interessiert, was man am Sabbat treibt, als sei er ein pedantischer Nachbar und nicht so etwas wie ein liebender Vater?
Er nahm nun häufig Drogen und je mehr er Drogen nahm, desto klarer wurden seine Gedanken. Was bräuchte man ein Himmelsreich, wenn doch die Menschen einander den Himmel auf Erden bringen könnten, würden sie sich nur lieben?
Wenn man die Römer, die ihnen allen immer zusetzten mit brutalen Strafen und erdrückenden Steuern, wenn man die lieben könnte wie man sich selbst liebt und die Römer liebten einen zurück, dann bräuchte gar kein Messias kommen, dann hätte jeder schon sein Plätzchen im Garten Eden.
Irgendwann beschloss er, mit den Drogen aufzuhören und stellte fest, dass er seine Ideen immer noch überzeugend fand. Also brachte er sie unter die Menschen.
Aber die reagierten gelangweilt.
„Römer lieben? Da kann ich ja gleich ein ägyptisches Krokodil zur Gemahlin nehmen“, riefen sie ihm hinterher, wenn sie ihn aus der Stadt jagten. Gerade einmal zwölf Menschen überzeugte er mit seiner Botschaft von der Liebe, einer von ihnen war Scha´ul, der einzige von seinen Anhängern, der klüger war als er selbst.
Scha´ul sagte, dass das so nicht weitergehe. Unter all den Auserwählten, die die Straßen Jerusalems verstopften, bräuchte Jeschua ein Alleinstellungsmerkmal. Er solle mal ein bisschen kreativ mit seinen Daddy-Issues umgehen und wieder mit dem Kiffen anfangen, den Rest werde er dann schon erledigen.
Jeschua und seine Schar machten ab da also mehr Hokus Pokus, die Botschaft mit der Liebe wurde nur noch im Subtext verabreicht, unter wilden Geschichten, die Jeschua sich bekifft ausgedacht hatte. Er machte einige Konzessionen an den konservativen Zeitgeist und löschte die Sexualität vollständig aus dem Programm, das ganze Kiffen hatte sowieso eher libidohemmende Wirkung, aber im Kern blieb er dabei: eigentlich is all you need Love.
Einmal stieß er auf eine Menschenmenge, die gerade dabei war, eine Dirne zu steinigen. Da machte er etwas, das vielleicht das Schönste war, was je ein Mensch getan hatte: Er stellte sich vor die Frau und rief dem Pöbel in Erinnerung, dass jeder von ihnen schon einmal gesündigt hatte und niemand sich anmaßen könne, über einen anderen zu richten. Der Pöbel schrie: „Du kannst mich mal, ich geb dir gleich Sünde, ich übertrete nie ein Gebot, du Hippiearschloch!“ und der örtliche Ältestenrat brüllte: „Und ob wir richten können, wir sind nämlich die Richter, du Penner!“ und dann zerrten sie ihn weg und gingen wieder ihrem Freizeitspaß nach, indem sie die Dirne zu Tode steinigten.
Jeschua war von da an nicht mehr derselbe. Er glaubte nicht mehr an das Gute im Menschen und hatte gar keine Lust mehr zu predigen, aber Scha´ul sagte „Jetzt erst recht, außerdem habe ich einen Werbevertrag mit Vinejuice Galore, dem führenden Hersteller alkoholischer Getränke, gell, du sagst doch, Wein sei okay, ich habe dir doch extra die Rede mit dem Weingarten geschrieben!“ und Jeschua ließ sich widerwillig drauf ein.
Wegen irgendeiner Lappalie wurde er dann verhaftet, wahrscheinlich hatte er sich am Sabbath beim Fluchen erwischen lassen, wegen eines Formfehlers fiel die Strafe dann drakonisch aus. Seine Jünger munkelten, es sei eher so eine Art Suicide by Cop gewesen, aber so genau weiß das niemand.
An seinem Grab sagte Scha´ul, die Menschen seien einfach noch nicht bereit für die Liebe gewesen, aber das werde sich bestimmt bald ändern, dann werde es keine Völker mehr geben, die die anderen demütigen und keine Todesstrafen und keine Kollateralschäden und keine abwesenden Väter.
Endlich mal wieder mehr als nur ein Teaser… ;-)
danke!
wie immer,Geschichte wiederholt sich… ;-)
@
da stehe ich wohl auf dem schlauch
Schöööön. Du zeigst viel zu selten, was Du kannst. Wie viele von uns.
@Matthias
Ein Satz aus dem Handbuch des vergifteten Lobs
Ich fands schön. Ich freu mich immer sehr über deine Geschichten. Vielleicht bleibt ja über die Feiertage Zeit über, um deine andere(n) Geschichte(n) auch fortzuführen? Das wäre das schönste Weihnachtsgeschenk überhaupt… ;-)
@Malte: Ich besitze Band I bis XV.
Eine besinnliche Einstimmung auf die Weihnachtszeit!
@Britta Stah: Yep, bei der Geschichte wird einem richtig warm ums Herz.
Es gibt da ein paar Kleinigkeiten, die ich Erbsenzähler an der Form zu beanstanden hätte. Aber angesichts der wahrlich schönen Botschaft und der stark überwiegenden Pluspunkte, versenden sie sich zu Nullkommanichts. Weiter so…
Ist das jetzt ein vergiftetes Lob? Nicht so gemeint.
Ach herrje! Wunderbar, wunderbar. Ich habe Tränen der Rührung verspritzt, dieses Lob ist mit Lachgas versehen. Vorsicht!
Wie ernst kann Leben schon sein? Frohes Fest!
Das find ich ja mal schön, so für unter’n Tannenbaum. ;) Danke
Langes “Coool” von mir! Da fallen mir hunderttausend Sachen dazu ein, nur alle auf einmal… Die muß ich erstmal sortieren.
Allerdings: so geht es mir nur bei Geschichten, die mir gefallen und meinen Zuspruch finden!
In der Musik nennt man das Etüde. Eine Schreibübung fürs Piper-Buch übers Ficken. Nichts weiter. Handwerklich okay, aber summasumarum erbärmlich, weil man jeder Zeile anmerkt, wie wenig dich das Sujet in Wahrheit interessiert. Ein Bofrost-Katalog ist leidenschaftlicher betextet. Dein schwerenötiger Duktus macht alles kaputt. Blasiert halt.
P.S.: Schwenzel hat mich wieder rein gelassen bei sich. Schau mal seine letzten beiden Freds.
Deine geschichte würde ich meinen kindern vorlesen.^^