Pirat über Bord

Im Blogblick für die Netzeitung habe ich über die Reaktionen aus Bloggerkreisen auf die revisionistischen Äußerungen des Piraten Bodo Thiesen geschrieben.

Aufgrund dieser Reaktionen hat sich die Piratenpartei nun von Thiesens Äußerungen distanziert.

“Wir haben keinen Zweifel daran, dass im Zuge dieses historisch einzigartigen Verbrechens des nationalsozialistischen Deutschlands circa 6 Millionen Menschen umgebracht worden sind, die meisten von ihnen Juden.”

Singularität? Check.
Zahl? Check.
“Die meisten von ihnen”? WTF? Möph!

Ich habe vieles gelöscht in meinem Leben, das meiste davon waren Wörter.

“Die Meinungsfreiheit ist ein hohes und von uns Piraten außerordentlich wertgeschätztes Gut. Amtsträger der Partei sind aber in der besonderen Pflicht, die damit verbundene Verantwortung über ihre eigenen Interessen zu stellen und Schaden von der Partei abzuwenden.”

Haben die Piraten am Ende gar nicht verstanden, worum es geht?
Was genau ist noch einmal eine Meinung?
Ist – sagen wir mal – der Satz “Karsten M. aus A. an der W. ist wegen mehrfachen Kreditbetruges verurteilt worden” eine Meinung?
Natürlich nicht.
Und auch Holocaustleugnung ist keine Meinung und kann begrifflich nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sein.

Man kann natürlich am Ende einer Botanik-Seminararbeit über Rudelbildung im Bundesligafußball reden, aber warum sollte man das tun?

Ich kenne aus eigener Erfahrung drei Grundtypen von Holocaustleugnern.
Da ist der Antisemit, der gerne mal anfängt, von anderen Verbrechen der Menschheitsgeschichte zu reden. Beliebter Satz: Die Engländer haben das Konzentrationslager erfunden.
Dann gibt es die Nazis, die sich auch als solche bezeichnen. Einmal habe ich eine Lehrerin kennengelernt, die selber glaubte recherchiert zu haben, dass die Zahl der Opfer viel kleiner sein müsse.
Und dann gibt es die halbbelesenen Verschwörungsliebhaber, die in ihrer Kindheit nicht gelernt haben, dass es Bücher von unterschiedlicher Qualität gibt. Die sind ihrer Gesinnung nach harmloser als die ersten beiden Typen, in ihrer Ignoranz aber noch schüttelwürdiger. Sie würden den Holocaust am liebsten behandeln wie die Schlacht bei Issos. Dass wir dabei von einem Verbrechen reden, das bis heute nachwirkt in den Familien der Opfer, von einem Verbrechen, das eine klaffende Wunde in der Menschheitsgesellschaft hinterlassen hat, ficht sie nicht an.
Man wird doch mal sagen können.
Und das ist das Ekligste an diesen Debatten. Von Möllemann über bekiffte Idioten bis Thiesen wird immer wieder so getan, als gäbe es ein Dogma, an dem man nicht rühren dürfe. Als gäbe es keine Geschichtsforschung zu dem Thema. Wenn man den Wikipediaartikel zum Holocaust liest, wird einem nicht entgehen, dass verschiedene Forscher zu voneinander abweichenden Opferzahlen kommen. Es gibt die von Thiesen behauptete Problematik nicht, es hat sie nie gegeben. Die Holocaustforschung ist frei.
Es steht bloß nicht jedem, der das Internet vollkritzeln kann, zu, eine Zahl in den Raum zu werfen.

UPDATE:

Unter Applaus: Thiesen wehrt Kritik auf dem Parteitag ab.

UPDATE 2:

Neue Erklärung von Bodo Thiesen

62 comments

  1. @Martin
    Ich bin auch ganz unsicher, weil ich schon so viele Gehässigkeiten über Veronica Ferres geschrieben habe. Was, wenn die mal Kanzlerin oder – schlimmer – Familienministerin wird?

  2. Was hättest Du denn anstelle von “Die meisten von ihnen” geschrieben?

  3. Malte, mach Dir keine Sorgen. Du landest eh im Fegefeuer.

  4. @Martin
    Das eigentliche Problem ist doch nicht, was er 2003 geschrieben hat, sondern dass er das offensichtlich immer noch glaubt. Seine Stellungnahme ist windelweich und er verwendet immer noch die gleiche Terminologie, mit der er 2003 die Kriegsschuld Polen zugewiesen hat (“Angriff” statt “Überfall”). Er distanziert sich nirgends inhaltlich, sondern spricht nur von Missverständnissen.
    Würde er schlicht schreiben: “Ich habe damals Bockmist verzapft weil ich auf die Lügen und Manipulationen des verurteilten Holocaustleugners Germar Rudolf reingefallen bin, wie ich heute weiss”, dann hätte denke ich niemand ein Problem, die Sache auf sich beruhen zu lassen.

    Egal ob er ein überzeugter Faschist und Revisionist ist oder nur ein verwirrter Spinner: Ein Mensch, der so wenig Urteilsvermögen hat, auf derartige Quellen reinzufallen und sie sich zu eigen zu machen, ist für ein Parteiamt ungeeignet, und eine Partei, die ihn wissentlich in ein solches Amt wählt, für mich nicht wählbar. Ich denke allerdings, dass bei der Wahl die wenigsten wussten, wen sie da vor sich haben. Ich hoffe dass der Bundesvorstand jetzt die entsprechenden Konsequenzen zieht.

  5. Der nette Nachbar

    “Ist – sagen wir mal – der Satz “Karsten M. aus A. an der W. ist wegen mehrfachen Kreditbetruges verurteilt worden” eine Meinung?”

    Selbstverständlich ist das eine Meinung, wenn vielleicht auch eine falsche.

    Meinungen sind subjektive Ansichten.
    Es gibt, wenn Rechte Dritter verletzt werden, eine Einschränkung der Meinungsfreiheit.

    Ob das richtig oder falsch ist, ist eine andere Sache.
    Aber es bleibt, was es ist:
    Ein Einschnitt in das Recht, seine Meinung frei zu äußern.

    Meine Meinung! :)

  6. G. Hausschild

    ,,Es gibt die von Thiesen behauptete Problematik nicht, es hat sie nie gegeben. Die Holocaustforschung ist frei.”

    …schön wärs – ist leider nicht so, immer wenn du irgendwelche Vergleiche mit Nazis oder ihren Verbrechen anstellstst bist du gleich ein Nazi.

    Und es gibt auch diese festen Dogmen und Leute, die die Wahrheitshoheit für sich pachten – wenn man sich nicht beugt muss man mit Repressionen rechnen.

Leave a comment


Togel178 Togel178 Togel178 Togel178 Togel178 Pedetogel Pedetogel Pedetogel Pedetogel Pedetogel Sabatoto Sabatoto Sabatoto Sabatoto Sabatoto Togel279 Togel279 Togel279 Togel279 Togel158 Togel158 Togel158 Togel158 Togel158 Colok178 Colok178 Colok178 Colok178 Colok178 Colok178 Colok178 Colok178 Novaslot88 Novaslot88 Novaslot88 Novaslot88 Novaslot88