Gegen Mittag rauchten wir zusammen eine Tüte mit sanftem Thai-Gras. Greta kicherte in das Kopfkissen: „Du hast einen Schwanz wie aus dem Bilderbuch.“
„Was hast du denn für Bilderbücher gelesen?“
Sie drehte sich von der Seite auf den Bauch, stützte sich auf den Ellenbogen ab und wiederholte lachend: „Wie aus dem BIObuch.“
Sie zog mich zu sich: „Der ganze Paul sieht aus wie aus dem Biobuch.“
Ich küsste sie und fragte: „Was heißt denn das?“
Sie zog an der Tüte. „Dass ich mir meinen Mann immer so vorgestellt habe wie dich.“
Ich machte eine Kung-Fu-Bewegung und rief: “Ich bin ja auch ein Thai-Fighter!”
Dann ging Greta in die Küche. Ich schaute ihren Beinen und ihrem sehr runden Po hinterher.
Beinahe hätte ich “Hach” gesagt. Alles war wie in der Rama-Werbung. OK: Als hätte Tarantino eine Rama-Werbung gedreht. Meine Wohnung war sauber, mein Kühlschrank mit Vitaminen und fantastisch ungesunden Sachen randvoll gefüllt und ich hatte sogar gut geträumt. Gestern Abend hatte Greta mich sogar dazu gebracht, Gemüse zu schnippeln.
Das war ein kleines, sehr weltliches zwar, aber doch immerhin: Wunder.
Ich schaltete den Fernseher an. In der ARD lief eine Dokumentation über Elefanten. Greta kam mit Mousse au Chocolat zurück, schaute auf den Fernseher und sagte, wobei sie sich an ihrem Lachen verschluckte: „Schau mal, der Elefant versteckt sich hinter einem Baum.“
Plötzlich wurde die Sendung von Nachrichten unterbrochen.
„Bestimmt ist der Scharping gerade zurückgetreten.“
„Oh, sind die Elefanten jetzt weg?“
Als nächstes sahen wir ein brennendes Gebäude und ein Sprecher sagte, ein Flugzeug sei in das World Trade Center geflogen.
„Wie kann man sich denn so verfliegen?“ fragte ich und schon flog ein zweites Flugzeug hinterher.
„Ist das live?“, fragte Greta, auf den Bildschirm starrend. Der Sprecher sagte, es seien noch weitere Flugzeuge in der Luft. Immer wieder flog das Flugzeug in den Wolkenkratzer.
Anna rief an und sagte, ich solle den Fernseher anschalten.
„Ich sehe es schon. Aber ich kann noch nichts Kluges dazu sagen.“
Hinter uns die Endlosschleife der zu Boden gehenden Wolkenkratzer schliefen wir wieder miteinander, schmierten uns mit Mousse au Chocolat ein, waren glücklich und erschöpft und rauchten und stopften uns voll mit Kiwis und Möhrchen und Bolognese.
Kurz berührten uns die Menschen, die aus dem Gebäude sprangen, etwas weniger als abgemagerte afrikanische Babies, natürlich mehr als der Tod von Vincent Vega. Ich verstieg mich zu der These, dass die Amerikaner ab jetzt vielleicht ein friedlicheres Volk werden würden, weil sie erstmals so etwas wie Krieg auf eigenem Boden erlebt hatten und Greta streichelte mir besserwissend über den Kopf. Dann kuschelten wir uns ein, draußen wurde es dunkel, wir wurden immer bekiffter, waren angefüllt mit Liebe und Mousse au Chocolat und Spaghetti und Thai-Gras und die Türme stürzten und stürzten und stürzten. Wir ruhten sanft. Der elfte September 2001 war der glücklichste Tag meines Lebens.
Und die Menschen, die im Fernsehen sagten, dass nach diesem Tag die Welt nicht mehr dieselbe sein werde, die hatten recht.
Die 90s – UiRemix
so einen hätte ich auch gern, so einen wie aus dem biobuch ;)
Zum Glück seit ihr nicht vor die Tür gegangen. Draußen nämlich, in der Videothek um die Ecke gab es merkwürdige Szenen. Wildfremde Menschen haben miteinander geredet und besorgt die TV-Schleifen angeschaut. Einschlag, toter Moment, Explosion, ein kurzes Auftauen und anschließendes Wiedereinfrieren gesellschaftlicher Zustände, nur dieses Mal ein ganze Spur kälter. Seit diesem Tag glaube ich dass es einen zweiten elften September geben wird. Der Tag an dem die Menschen eine Morgens aufwachen weil im Radiofernsehinternet plötzlich etwas berichtet wird was all die Angst hat zu einer Farce werden lassen. 9/11 war der letzte Joker im Kampf gegen eine bessere Welt, diese Karte ist jetzt verspielt.
man versucht ja schon ständig die dinge schön differenziert zu sehen. nicht ständig nur aus dem blickwinkel der idole, die einem schon in früher jugend gedanken in den kopf getan haben. und trotzdem kann ich mich nicht dagegen wehren, dass funny van dannen beim lesen des textes im hintergrund singt:
Während du lachst, sind viele andere traurig
Und wenn du stirbst, werden viele einen Orgasmus haben
Das hört sich schlimm an, ist es aber nicht ganz
Denn zum Glück gibt es die räumliche Distanz
[...]
Während du verliebt bist, sind andere völlig verzweifelt
Und während du verwöhnt bist, werden andere von Bomben zerfetzt
Das hört sich schlimm an, ist es aber nicht ganz
Denn zum Glück gibt es ja die räumliche Distanz
(überhaupt geht es mir so, dass die viele szenen meines lebens von musik begleitet werden – ausser die, in denen ich es wirklich passend fände. und sogar das hat funny schon erkannt und singt:
wir kommen aus dem Haus unser Auto ist weg
wir bekommen einen rießen Schreck
nichts ist klar wo ist es hin hat das Leben jetzt noch Sinn
nehmen wir Tabletten die U-Bahn den Strick
und es fehlt die dramatische Musik.)