Der rechtsfreie Raum

Im Blogblick der Netzeitung geht es um den aktuellen Spiegel-Titel und das rechtsfreie Netz.

Der Vater meines Klassenkameraden Jörg Röder hatte hunderte von Videocassetten in einem Eichenschrank, alle Filme aus dem Fernsehen aufgenommen oder kopiert von einer Leihcassette. Eine Bekannte von mir hat auf Facebook ein paar Dutzend copyrightgeschützte Bilder in einem Fotoalbum. War der Eichenschrank der Familie Röder ein Ort, an dem Künstlerseelen geschändet wurden, wo Filmproduzenten verhungerten?
Ach was, kein Mensch hat sich für diesen Schrank interessiert, hier: Poltergeist – ich hab mich eingenässt.

Und wo ist nun der Unterschied zwischen dem Schrank und der Facebookseite?
Der Unterschied ist, dass unterdessen alle verrückt geworden sind.

Denn es werden weniger CDs verkauft. Weniger als wann? Weniger als zu dem Zeitpunkt, als die Musikindustrie jedes Album digitalisiert und noch einmal verkauft hat. Und dann hat die Musikindustrie jedes Album noch einmal neu zusammengestellt und Sondereditionen herausgebracht und Extra-Compilationen und Best-Ofs und Nowreallybestofs und NowIfuckingswearthisISthebestofs. Die Albumcharts wurden von Abba und den Dire Straits und Pink Floyd dominiert und das war 20 Jahre, nachdem diese Alben gut und neu waren.
An Neuem gab es Blümchen und La Bouche und DJ IchhabdoofesHaar, die etwas weniger als gedacht dazu geeignet waren, Menschen über 12 mit Ohren dauerhaft an sie zu binden.
Und nun werden also weniger CDs verkauft als in diesem Goldenen Zeitalter des Teenager-Beraubens. Stattdessen verdient die Industrie eine Fantastilliarde mit Lizenzen für Guitar Hero, Karaoke-Spiele und Klingeltöne. Arme Industrie. Und ja, vielleicht ist etwas weniger Geld in dem Markt, weil Kinder heute lieber die Playstation 4 für 40000 alte Euro kaufen als auf eine neue Rolling Stones-Best-Of zu sparen, die sie nicht mal ihrem besten Freund brennen dürfen, ohne dass gleich ein Rollkommando des Geldschutzes ihr Zimmer stürmt.

Aber Schuld ist das Netz.

Wenn man bei isohunt einen neuen Kinofilm sucht und ihn nicht findet, dann kann man sicher sein, dass er ein Flop ist. Nur Hits werden verbreitet. Die paar Tausend Leecher von Transformers 2, die ungeheure Verbreitung des letzten Batman – wem haben sie geschadet? Waren nicht beide Filme ungeheure finanzielle Erfolge?
Ah, es darf ein bisschen mehr sein? Etwa so wie bei deutschen Filmen? Die sind wesentlich schwerer zu bekommen und müssten folgerichtig ja im Moment boomen wie nichts Gutes. Steht der kleine deutsche Kunstfilm besser da als je zuvor, weil die gierig saugenden Bastarde den Hollywoodproduzenten Schaden zufügen und die Zuschauer ihr Geld an die Kinokasse tragen, wenn sie einen Film im Netz nicht bekommen können?
Sehr witzig.

Gott im Himmel, wäre das Netz bloß ein rechtsfreier Raum. Es wäre fast wie früher, als man bedenkenlos Freunden Bücher leihen konnte, Mixtapes für die Angebetete aufnahm, lästern konnte und schimpfen und intrigieren und die CDU albern finden durfte.

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Hier übrigens der Twitter-Account von Christian Stöcker, unserem Mann beim Spiegel.

29 Kommentare

  1. Dieser Artikel super und sehr richtig!

  2. Recht hast du.

  3. Auf den Punkt gebracht und das ziemlich cool ….
    (Bei mir war es “Rosemarie’s Baby, höhö)

  4. “Der Unterschied ist, dass unterdessen alle verrückt geworden sind.”

    Schönes Fazit. Stephen King erhält von einem Buch, dass er verkauft, weniger als 10% der Einnahmen. Er hat einen der besten Verträge auf der Welt, das ist klar. Er ist Stephen King.

    Ähnlich verhält sich das bei Musikern, die nur einen Bruchteil von dem erhalten, was eine CD kostet. Eine CD herunterladen, und 2 Euro über Paypal spenden, da sollte sich jede Band drüber freuen, gesetzt dem Fall, das Geld landet zu 100% bei ihnen.

    Viele “Zwischenschritte” werden heute nicht mehr benötigt. Ein Musiker braucht Vermarktung, selbstverständlich – aber vieles von dem, was die Musik- und Plattenindustrie leistet, ist heute obsolet.

    Face it. Ihr müsst euch umstellen. Macht bessere Konzerte. Lasst euch neue Inhalte für analoge Medien einfallen, wenn diese gegen digitale bestehen sollen.

    Und macht Filme, für die man gerne ins Kino geht.

    ta-ta
    E.

  5. Du vergast den NowIfuckingswearthisISthebestofalltimes + 1 unveröffentlichter Bonusdreck!

    Ich habe mich übrigens auch mit dem Spiegel Artikel und insbeosndere seiner Wahrnehmung in der Blogosphäre auseinander gesetzt. Das hier viel mit Voruteilen an den Artikel rangegangen wird, und man Einmischun von “außen” in das geliebte Internet offensichtlich nicht akzeptiert.
    http://netzfeuilleton.de/2009/08/wir-sind-nicht-das-internet/

  6. Dieses Video … wargh… war da ein Artike drüber? Weiß nicht, gehört mitlerweile mit zur Verdrängungsstrategie ;)

  7. Es heißt natürlich Artikel. Und ein Edit-Button wäre schön :-)

  8. Pft. Ich bin froh, dass ICH endlich einen Edit-Button habe. Und der ist nur für mich.
    HarHarHar.

  9. Matthias Schumacher

    Seit Carradine äußere ich mich nicht mehr zu Schrankthemen!

  10. Bislang war ich ja recht entspannt bei dem Thema:

    Vor Kurzem allerdings bestürmte mich bei einem bunten Abend ein ehemals befreundetes Paar mit geradezu relogiösem Eifer, den Konsum der aktuellsten “The Tudors”-Folgen zu verweigern: Die Inanspruchnahme meines für solche Produkte bevorzugten Vertriebsweges sei kriminell und unmoralisch. Mein Einwand, dass das primär eine wirtschaftliche Dimension aber sicher keine von Moral und Kriminalität habe wurde niedergeschrien.

    Nachdem ich dann erklärte, dass auch Angehörige der Unterhaltungsindustrie sich zumindest im Privaten die Mühe machen sollten, Recht und zumindest mittelbares Eigennteresse zu trennen war der Abend gesprengt.

    Seitdem kann ich nicht mehr aufhören über liebgewonnene Meinungen nachzudenken…

  11. Ach bin ich mal wieder froh, dass ich mein Spiegel-Abo gekündigt habe.

    Edit-Button wäre in der Tat super.

  12. Mathias Richel

    Generell: Edit-Buttons gehen immer zu lasten der Leistung der Datenbank, Kommentar absenden etc. Hatte wir hier im letzten Theme, lassen wir hier.
    Und wir schämen uns einfach nicht unserer Pfehler wegen. Mut zum scheitern!

  13. Ausdrucken, einrahmen, danke sagen.

    Da werd ich doch glatt mal zum Internetausdrucker :D

  14. Wer sind denn die Personen in dem heißen Video alle? Erkenne nur Malte und Sascha Lobo.

  15. Ja genau, wer ist denn die flotte Biene?

  16. Ein von mir hochverehrter Musiker, der einstmals vor 20 Jahren leidlich bekannt war und inzwischen leider unbekannt ist aber immer noch Musik macht, schrieb neulich mal in seinem Blog, er würde heutzutage mit 5000 in Eigenproduktion und Eigenvertrieb verkauften Alben mehr Geld verdienen als mit 50000 verkauften Alben bei einer Plattenfirma.

  17. der Stilpirat

    Applaus!

  18. Was ist eine CD wert? Da braucht man nur mal in örtliche 2nd Hand Tonträger Läden zu gehen oder Flohmärkte zu besuchen. 3-5 Euro. Wenn die Industrie nun jammert, dass sie nicht mehr 20 Euro für bekommt, leben sie in einer anderen Welt. Ein anderer Punkt sind ja die “Alben” – die Käufer würden sich in den Internet-Download-Shops nur die besten Stücke kaufen usw. Nee, Singles gab es früher auch nicht, oder?

    Und nun werden also weniger CDs verkauft als in diesem Goldenen Zeitalter des Teenager-Beraubens.

    War übrigens schon schon früher so: Raubritter hatten auch ihre Lobbyisten bei den Fürsten. Hat ihnen trotzdem nichts genutzt. Die Bürger hatten es irgendwann mal leid und die Fürsten mussten den Raubrittern ihre Unterstützung entziehen.

  19. Thomas Brück

    Ich habe den “rechtsfreien Raum” gefunden, in zeitweiliger Verwirrung das Stopp- Schild Gesetz als Zugangserschwesiggesetz betitelt und wurde währenddessen von Brigitte Zypries persönlich “beleert” wie man anonym im Internet unterwegs ist…
    Schau’s dir doch mal an: http://guedesweiler.blogspot.com/2009/08/brigitte-zypries-erklart-das-internet.html

    Ansonsten weiter so, sehr gute Ausdrucksweise mit schönen Vergleichen!

  20. Ich hab dazu auch ne Meinung

    http://www.dirkvongehlen.de/index.php/ich/opfer-einer-gewerblichen-urheberrechtsverletzung/

  21. @Bernd
    Ihr habt euch DESwegen zerstritten?

  22. danke für den besten dj-namen der welt! darf ich mich bitte “DJ IchhabdoofesHaar” nennen? oder können wir den wenigstens bei karl und kurt einbauen? (toll insider in kommentaren, immer supi..:))

  23. Der Artikel ist auf andere Weise ähnlich ignorant wie die Musikindustire.

  24. @Gregor
    Das sind
    http://twitter.com/da_niesl
    http://twitter.com/mspro
    und
    http://twitter.com/mathiasrichel

  25. sensationell, das Video is so lustig. Gestern hat das ReadWriteWeb einen sehr interessanten Artikel zum Thema herausgegeben http://bit.ly/mBn2k.
    “In fact, many people claim that they wouldn’t pay for online content even if all other free options were taken away.”

  26. Malte Landwehr

    Irgendwie werden hier zwei Themen vermischt. Klar kriegen Künstler nicht viel von ihren verkauften Werken (Bücher, CDs, etc.) ab aber sie tragen ja auch nur einen Baustein zum Erfolg bei. Sicher einen der wichtigsten aber auf einen Musiker/Autor kommen dutzende Leute in Marktforschung, Marketing, Layout, Buch-Druck/CD-Presse, PR, usw. die wollen ja auch alle etwas vom Kuchen abhaben. Dass sich die Unterhaltungsindustrie seit einigen Jahren im Kreis dreht und speziell was Musik und TV angeht fast nur Murks produziert will ich gar nicht bestreiten.

    Aber das als Legitimation für illegale Downloads zu nehmen halte ich für ziemlich dreist. Ich vermute, dass diejenigen, die illegal heruntergeladene Mp3s auf dem Rechner haben, 99% dieser Bands nicht auf direktem Wege haben Geld zukommen lassen.

    Und wegen des Arguments 5.000 selber produzierte CDs bringen mehr Kohle ein als 50.000 fremd-produzierte: Natürlich ist das so. Aber das Risiko ist auch um ein x-faches Größer. Die Kosten für Aufnahme, Vermarktung, Versand, usw. müssen alle vorgestreckt werden und Kohle gibt es erst ab dem ersten Verkauf. Das ist ein Risiko, dass sich die großen Labes natürlich versilbern lassen sobald der Rubel rollt.

  27. @Malte Landwehr
    Zu diesem Aspekt habe ich hier schon einmal etwas geschrieben:
    http://jungle-world.com/artikel/2009/27/35376.html
    “Es wäre natürlich unredlich, den Anteil der Ver­lage kleinreden zu wollen: Im Idealfall entwickeln sie einen Autoren, erschließen den Markt für ihn, machen einen Text überhaupt erst zum Buch – wer aber dessen Urheber als bloßen Buch­stabenlieferanten abqualifiziert und mit Almosen abspeist, ist schwerlich ernst zu nehmen als Hüter der Kulturlandschaft.”

    Ich stimme dir also insoweit zu, als dass ich auch der Meinung bin, dass der Künstler natürlich profitiert. Ich wünsche jedem viel Erfolg, der versuchen möchte, ein im Selbstverlag erstelltes Buch im Handel unterzubringen.

    Worum es hier aber geht: Es steht ernsthaft zu bezweifeln, dass die Krise der Musikindustrie überhaupt etwas mit illegalen Downloads zu tun hat.

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