Es gibt kein Milliardengeschäft mit Kinderpornographie

Vor einigen Wochen habe ich über mehrere Tage ein Interview mit einer heute erwachsenen Frau geführt, die zwischen ihrem zehnten und vierzehnten Lebensjahr von ihrem Onkel sexuell bedrängt worden ist. Die Verletzungen, die durch diese Übergriffe entstanden, sind auch nach Jahrzehnten noch nicht geheilt.
Niemand, den ich kenne, verharmlost sexuelle Gewalt gegen Kinder. Wenn im Netz gegen Unsinn angeschrieben wird, der im Zusammenhang mit dieser Deliktgruppe verbreitet wird, dann, weil es uns um den Schutz von Kindern geht. Weil Fakten Verbrechen verhindern, kein Aberglaube.

Da gerade wieder auf Spiegel Online der Unsinn verbreitet wird, der nun einmal immer herhalten muss, wenn Netzsperren in der Politik gewünscht werden, dass es nämlich ein Milliardengeschäft mit der Kinderpornographie gebe, hier noch einmal ein Ausschnitt aus einem Artikel, den ich für FAZ.net über Stephanie zu Guttenberg geschrieben habe (wenn Journalisten sich wiederholen können, dann kann ich das ja wohl auch):

Zahlenzauber: Eine Industrie wird erfunden

„So wie es die normale pornographische Industrie gibt, gibt es auch die kinderpornographische. Die Amerikaner schätzen es auf einen durchschnittlichen Jahresumsatz von 24 Milliarden Dollar.“ So Stephanie zu Guttenberg in einem Interview mit München TV, das auf Youtube zu sehen ist. (Zum Vergleich: der Umsatz der gesamten deutschen Filmindustrie lag 2008 bei 2,4 Milliarden Euro, also bei einem knappen Zehntel.) Der Rechtsanwalt Udo Vetter erklärte Johannes Boie von der Süddeutschen Zeitung, dass es diesen Markt nicht gibt: „Tatsächlich gibt es weltweit keine Filmstudios, die für Geld Kinderpornos drehen. Das gesamte neuere kinderpornografische Material besteht aus dem alltäglichen Missbrauch in der Familie, in der Nachbarschaft, in Schulen und in sonstigen privaten Umfeldern. Die Täter dokumentieren den ohnehin stattfindenden Missbrauch. Dies ist schlimm genug, aber es hat eine andere Dimension, als wenn Kinder aus kommerziellen Gründen für Filmaufnahmen missbraucht werden.“ Die von der EU-Kommission geförderte Vereinigung The European Financial Coalition against Commercial Sexual Exploitation of Children Online kam zu Ergebnissen (pdf), die Vetters Sicht bestätigen.
“Es gab einen signifikanten Rückgang aktiver kommerzieller Seiten.
Die Betreiber kommerzieller Seiten verteilen Bilder, produzieren sie jedoch nicht.
Die Bilder sind in der Regel historisch und werden wieder und wieder in Umlauf gebracht
Die Produzenten von Missbrauchsbildern nutzen kleine, sichere Bereiche des Internets, die passwortgeschützt sind, um Bilder umsonst zu verteilen.
Kommerzielle Seiten erzielen generell keinen hohen Gewinn; verglichen mit anderen Bereichen der Onlinekriminalität sind die Gewinne recht niedrig.”
Wie kommt also Stephanie zu Guttenberg auf so eine Zahl? Alvar Freude, Mit-Gründer des Arbeitskreises gegen Internetsperren und Zensur (AK-Zensur), ist den magischen 24 Milliarden nachgegangen.
„Vergleicht man die Seite der deutschen Sektion von Innocence in danger mit der des Dachverbandes fällt aber auf, dass sich dort die gleiche Umsatzzahl nur bezieht auf „children commerce“, also Kinderhandel. Die Beliebigkeit der Verwendung ein und derselben Umsatzzahl für unterschiedliche Sachverhalte verwundert.“ Alvar Freude verfolgt die Spur der Zahl weiter und stößt schließlich auf einen „kommerziellen Händler von Filterschutzsoftware, der, soweit ersichtlich, die Umsatzzahlen ebenso aus der Tiefe des Gemüts geschöpft hat, wie alle anderen Behauptungen im Zusammenhang dieser Debatte es auch sind.“
Es ist unmöglich, ein Verbrechen zu bekämpfen, wenn man die Fakten nicht berücksichtigt. Wie will man gegen einen Gegner kämpfen, wenn man völlig ignoriert, wie dieser Gegner aufgestellt ist? Es erinnert an den Einsatz von Daisycuttern gegen Taliban, wenn Netzsperren als probates Mitteln gegen dezentrale Tauschringe propagiert werden.

2 comments

  1. Man könnte auch einfach den Glauben daran verlieren, dass hier wirklich Verbrechen bekämpft werden sollen und nicht einfach über einen Vorwand die Grundrechte weiter eingeschränkt werden sollen. Denn je mehr die Politik die Fakten ignoriert gar einfach mit wilden Behauptungen jongliert, desto weniger kann man ihr die angegebenen Gründe abnehmen.

    Der Vertrauensverlust wird immer größer.

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